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Hinterlassen wir nur Naturmuseen?"

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Moral in der Politik? Da denkt nun jeder zuerst an einen Skandal. Gesundheitsminister Steyrer denkt dabei an den Umweltschutz. Den wollen andere in seiner Partei aber nicht mehr der Arbeitsplatzsicherung unterordnen.

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Moral in der Politik? Da denkt nun jeder zuerst an einen Skandal. Gesundheitsminister Steyrer denkt dabei an den Umweltschutz. Den wollen andere in seiner Partei aber nicht mehr der Arbeitsplatzsicherung unterordnen.

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Ich bekenne mich zu den Intentionen der Arbeitsplatzsicherung mit aller Kraft. Nur müssen wir uns überlegen, ob wir diese Arbeitsplatzsicherung mit allen Maßnahmen und mit allen Bauvorhaben durchziehen können.-

Wenn ich zum Beispiel daran denke, daß im Nationalpark Hohe Tauern im Gebiet Matrei ein Kraftwerk erbaut werden soll, habe ich prinzipiell nichts gegen einen solchen Kraftwerksbau, weil er zur Sicherung der österreichischen Energieversorgung notwendig ist.

Aber ich habe alles dagegen, daß man in diesem Nationalpark Hohe Tauern alle Gletscherbäche in dieses geplante Kraftwerk einleiten will. Wie können wir es unseren Kindern gegenüber verantworten, daß sie nicht einmal im Nationalpark mehr sehen können, wie ein Gletscherbach im ursprünglichen Zustand ausschauen soll?

Es ist meine feste Uberzeugung, daß es keinen diametralen Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie gibt. Zweifellos sind Umweltschutzauflagen primär kostenverursachend. Aber sie sind sicherlich auch arbeitsplatzsichernd. Wir haben durch viele Studien beweisen können, daß durch Umweltschutzmaßnahmen an die 26.000 Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden.

Sicherlich ist das kein sehr großer Anteil. Aber auf der anderen Seite können wir es uns nicht mehr leisten, den Umweltschutz zu ignorieren: denn Umweltschutz ist eine moralische Verpflichtung für die kommenden Generationen.

Ich glaube, daß es das Recht der Jugend ist, hier mitzubestimmen, wie einmal ihre Umwelt aussehen wird. Wobei ich gegen verschiedene Vorhaben nichts einzuwenden habe, manchen Vorhaben aber mit großer Reserve gegenüberstehe.

Ich halte es für einen Wahnsinn, in einem geplanten Nationalpark Hohe Tauern einen Gletscher Schilauf zu errichten. Ich würde mit aller Kraft und allen Fanatismus dagegen ankämpfen.

Es gibt aber Probleme der Energiegewinnung, von denen wir natürlich sagen müssen, es werden zweifellos Kompromisse zu schließen sein. Ich habe mich aber über eine Aussage des Landwirtschaftsministers besonders gefreut, wie er gesagt hat, daß zum Beispiel die Hainburger Auen ein absolut schutzwürdiges Gebiet sind. Hier haben wir den letzten erhaltenen Auwald Europas.

Es gibt da natürlich eine Uber-legung der E-Wirtschaft, die einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen hat: sie muß die Energie sichern. Sie muß daher möglichst wirtschaftlich bauen, das heißt billig bauen, und sie soll nach Möglichkeit größten Ertrag erbringen.

Aber das ist meiner Meinung nach eine Philosophie, die auch im Straßenbau nicht mehr angewendet werden kann. Wir werden zur Kenntnis nehmen müssen, daß der Umweltschutz uns Kosten auferlegt, die zweifellos notwendig und wichtig sind.

Man wird beim Kraftwerksbau vielleicht berücksichtigen müssen, daß man nicht mehr am billigsten bauen und nicht mehr den größten wirtschaftlichen Ertrag heimführen kann.

Es sind schon so viele Schäden eingetreten. Ich denke hier an die Fragen der Kommassierung: zweifellos eine wichtige Maßnahme zur Sicherung der Produktivität in der Landwirtschaft, aber mit all den schädlichen Folgen.

Wir haben die Hecken zerstört, die natürlichen Brutplätze für Kleinwild, für Vögel. Wir haben heute durch die großzügige Anwendung von Pestiziden und Herbiziden alles, was an sogenannten Schädlingen, Schmetterlingen herumfliegt, zerstört. Wir haben diesen ökologischen Kreislauf in vielen Bereichen ernstlich gefährdet.

Ich habe einmal gesagt, der Umweltschutz hat für mich deshalb eine besondere Priorität, weil er eine Generalprävention gegen verschiedene Krankheiten darstellt und damit unerhört vieles für den Menschen bringen kann. Ein Beweis für die Wichtigkeit und vielleicht auch für die Ökonomie des Umweltschutzes mag ein Beispiel aus der Gesundheitspolitik sein.

Der Finanzminister nimmt durch die Erträge der Tabaksteuerjährlich 8,5 Milliarden Schilling ein. Die tabakindizierten Schäden betragen im Jahr rund 15 Milliarden Schilling. Eine ähnliche Rechnung ist sicherlich für den Umweltschutz am Platze.

Diese Definition der Generalprävention verschiedener Krankheiten hat aber einen Fehler: Er setzt alleine den Menschen in den Mittelpunkt unserer ökologischen Betrachtung. Der Mensch ist ein Teil, ein sehr wichtiger Teil einer ökologischen Kette — aber er ist eben nur ein Teil.

Wenn wir diese ökologische Kette entscheidend stören und beeinträchtigen, leidet auch der Mensch darunter. Wobei noch immer die Frage zu stellen ist, ob nicht noch andere Lebensformen das Recht auf Leben haben.

Und daher trete ich mit einer so großen Begeisterung dafür ein, daß,wir heute Reservate schaffen müssen, in denen diese Naturlandschaft im ursprünglichen Sinn erhalten bleiben muß. Reservate aber nicht allein nur des Menschens, sondern überhaupt aller Lebensformen.

Und ich trete dafür ein, daß wir den Umweltschutz und den Naturschutz über diese Reservate hinaus ausdehnen müssen. Es wäre sinnlos, alles andere zu zerstören und zu sagen, wir haben einige Gebiete, in denen wir die ursprüngliche Lebensform erhalten haben.

Ich sehe den Umweltschutz derzeit als eine der größten moralischen Aufgaben für eine Gesellschaft an, die zweifellos in einer ungeheuren Aufbauleistung nach dem Zweiten Weltkrieg hervorragendes geschaffen hat. Es wäre sinnlos, all diese großen Leistungen, die das österreichische Volk erzielt hat, hier negativ beurteilen zu wollen.

Aber wir müssen auch in die Zukunft sehen, daß wir auf Leistungen stolz sein müssen, die im Sinne der nachfolgenden Generationen da sind, immer das Wort im Sinn: ..Wir haben diese Erde nicht von unseren Vätern geerbt, wir sind dabei, sie von unseren Kindern auszuleihen oder zu borgen."

Das darf nicht Wirklichkeit werden! Wir müssen diese Garantie für zukünftige Generationen bringen, daß wir ihnen auch noch in hundert Jahren das Bild und den Ton eines Gletscherbaches vermitteln können, das Bild einer unversehrten Erde, das Bild eines Österreichs, das lebens- und liebenswert ist.

Der Beitrag beruht auf einer Rede vor dem Osterreichischen Umweltschutztag 1982 im März in Linz.

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