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Hitlers britische Bewunderin Unity Vaikyrie Mitford

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Vor kurzem erschien in dem angesehenen Londoner Verlag Weisenfeld & Nicholson ein Buch des 40jährigen David Pryce-Jones, das den Titel „Unity Mitford — eine Untersuchung“ trägt. Vom Verfasser heißt es, er sei literarischer Herausgeber und Kritiker, der an einigen amerikanischen Universitäten Vorlesungen gehalten habe. Die Presse wußte auch davon zu berichten, daß er mit dem Hause Rothschild verwandt sei.

Das Buch ist eine in sechs Jahren Arbeit mit Auswertung von 200 noch lebenden Zeugen geschriebene Lebensgeschichte der 1914 geborenen, aus der englischen Hocharistokratie stammenden Miß Unity Valkyrie Mitford, die sich als Zwanzigjährige für das Phänomen des Nationalsozialismus und seinen Führer begeistern konnte. Ihre Stellung im Dritten Reich wurde gewiß auch dadurch begünstigt, daß ihre Schwester Diana mit Sir Oswald Mosley verheiratet war, dem Chef der British Union of Fascists, die allerdings in England nie zu Einfluß gelangten und nur durch den europäischen Trend der zwanziger und dreißiger Jahre interessant wurden. Ihr Vater Lord David Redesdale ließ der seit jeher sehr eigenwilligen Tochter jede Freiheit, und England hatte sclton immer für außergewöhnliche Kinder hochstehender Familien ein großzügiges Verständnis. Schließlich gab es ja auch in der englischen Oberschicht Kreise, die im Nationalsozialismus einen romantischen und idealistischen, irgendwie an Richard Wagner und Houston Stewart Chamberlain erinnernden mystischen Wesenszug der Deutschen zu erkennen glaubten. Der in München studierenden Unity Mitford gelang es, mit allem, was damals Rang und Namen in Staat und Partei hatte, Verbindung aufzunehmen. Im Herbst 1934 lernte sie in der Osteria Bavaria, wo Hitler jeden Freitag zu speisen pflegte, den Führer und Reichskanzler kennen. Das kleine Lokal besteht noch heute und trägt nun den Namen Osteria Italiana. Hitler fand offenbar an der attraktiven, blonden und schlanken Aristokratin Gefallen, die auch durch Erziehung und Bildung auf ihn Eindruck machte. Bei vielen ihrer deutschen Bekannten entsprach sie der Vorstellung von britisch-germanischer Schönheit. Seit dieser Bekanntschaft wurde es zu einer Selbstverständlichkeit, daß Unity, ihre Schwester Diana und der die beiden umgebende Kreis englischer, deutscher, österreichischer und ungarischer Bekannter auf den Nürnberger Parteitagen, bei den Bayreuther Festspielen und anderen Staatsfeiem in der Nähe des Führers zu sehen waren. Gewiß ist, daß Hitler oft zu einer entspannenden Konversation mit ihr und ihrem Kreis bereit war. Bei ihren Be suchen in der englischen Heimat trug sie ostentativ das ihr von Hitler geschenkte, mit Namenszug versehene Parteiabzeichen. Die deutsche Presse hat aus naheliegenden Gründen niemals von ihr Notiz genommen. In England dagegen wußte jeder aufmerksame Zeitungsleser, wie die Tochter Lord Redesdales im Reich aufgenommen wurde. Noch als die Stemstunde der englisch-deutschen Beziehungen längst vorüber war und die Besetzung Prags eine entscheidende Wende geschaffen hatte, stellte die Massenzeitung „Daily Mirror“ am 18. März 1939 Miß Mitford ausreichend Raum für eine Darstellung zur Verfügung, die ein zeitgeschichtlich recht interessantes Dokument ist. Darin heißt es: „1935 wurde zwischen Deutschland und England der Flottenpakt unterzeichnet, der Deutschlands Flotte auf 35 Prozent įer englischen beschränkte. Der Pakt war ein deutliches Zeichen dafür, daß Deuschland niemals wieder mit England Krieg führen wollte. Und doch hat seither eine ununterbrochene Propagandaflut versucht, das englische Volk davon zu überzeugen, daß Deutschland beabsichtigt, England anzugreifen. Hitler ist oft ein Träumer genannt worden. Viele dieser Träume sind aber heute bereits Wirklichkeit. Was sich noch nicht hat verwirklichen lassen, ist die englisch-deutsche Freundschaft und Zusammenarbeit.

Die Zeit wird aber kommen, in der auch dieser Traum Wirklichkeit wird. Hitler erkannte schon früher den Wahnsinn und die Unmöglichkeit der Vorkriegspolitik des Kaisers und der Rivalität mit England. Der Besitz überseeischer Kolonien erfordert eine mächtige Flotte. Deutschlands Stärke war dagegen immer seine Landmacht, nicht aber seine Marine. Die da glauben, daß das neue Deutschland wünsche, England zu schwächen, beweisen damit ihre Unkenntnis der nationalsozialistischen Lehre. Man muß sich dessen bewußt sein, daß der Nationalsozialismus für die Deutschen mehr als ein politisches Bekenntnis ist. Er ist ein Glauben. Eine seiner Grundlagen ist die Rassenlehre. Die Deutschen glauben daran, daß die nordische Rasse von allen die bedeutendste ist und sie glauben, daß die Zukunft Europas mit der nordischen Rasse steht oder fällt. Und sie glauben, daß Feindschaft zwischen den beiden großen nordischen Völkern einem Selbstmord gleichkäme. Die wirklichen Interessen unserer Länder stehen miteinander nicht im Konflikt. Sie ergänzen einander wechselseitig. Aus diesem Grund wäre ein enges Bündnis zwischen beiden Staaten durchaus möglich. Ein solches Bündnis würde für die ganze Welt ein Segen sein. Wenn Deutschland, die größte Landmacht, mit Großbritannien, der größten Seemacht, verbündet wäre, würde ein neuer Weltkrieg unmöglich sein. Die Vorteile aber, die eine solche Partnerschaft mit sich brächte, sind unvorstellbar. Die deutsche Wehrmacht, die britische Flotte und die beiden Luftwaffen würden die Welt in Ordunung halten ünd deri Frieden garantieren.“

Dieser Artikel liest sich heute wie das Hohelied der englisch-deutschen Verständigung. Aber die Dinge kamen eben anders. Am 30. April 1939 kündigte Hitler den deutsch-englischen Flottenpakt und den deutschpolnischen Nichtangriffspakt. Zwischen Hitler und Stalin gab es bereits eine geheime Verständigung über die Teilung Polens, dessen territoriale Integrität England garanierte. Als England und Frankreich am 3. Sep- tebmer 1939 an Hitler das Ultimatum richteten, seine Truppen sofort aus Polen zurückzuziehen, und als damit der Zweite Weltkrieg ausgelöst wurde, brach für Unity Mitford eine Welt zusammen. Wenige Tage später schoß sie sich im Münchener Englischen Garten aus einer silbernen Pistolė eine Kugel in den Kopf. Zufällig war ein Bekannter in der Nähe, der dafür sorgte, daß sie sofort auf die Universitätsklinik kam. Die Kugel war durch die Schläfe ins Gehirn eingedrungen, und aus chirurgischen Gründen konnte Prof. Magnus das Projektil nicht entfernen. Die Nachricht von diesem Selbsmordversuch wirkte auf Hitler wie ein Schock. Er übernahm die Klinikkosten und ordnete die Überführung Unitys via Schweiz nach England an. Hier erholte sich Miß Mitford langsam, unternahm aber später einen zweiten Selbstmordversuch, aus dem sie neuerlich errettet werden konnte. Anfang Juni 1948 trat eine Verschlechterung ein, und kurz darauf starb Unity. Der Befund lautete auf eitrige Gehirnhautentzündung und zerebrales Abszeß nach einer alten Schußwunde.

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