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Hitparaden-Krampf

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Die Schwierigkeiten beginnen spätestens bei der Auswahl hit- verdächtiger Werke. Selbst der ORF tappt bei der jährlichen Eurovisi- ons-Songcontest-Ausscheidung je- desmal ins Fettnäpfchen. Maxima- ler materieller Einsatz bietet noch lange keine Garantie gegen pein- liche Pannen. Da kam heuer ein Lied in die Endausscheidung, das gegen die Einsendebedingungen verstieß, da ließen fehlgeleitete Computer die Beratungen einer Fachjury zur Ali- biaktion verkümmern, größtmögli- che Transparenz und Objektivität wurden zugesichert, größtmögliche Verwirrung gestiftet.

Das krampfhafte Bemühen, einen Song als Hit aufzubauschen ist - so scheint es manchmal - beinahe die Garantie dafür, daß die Platte in den Läden verstaubt. Auf der ande- ren Seite sind die Erfolge der Mega- stars der Musikindustrie ohne pro- fessionelle Promotion nicht denk- bar. Einen Hit zu produzieren, ist nicht ganz einfach. Das bekamen nun auch die AKM, die „Austrome- chana" (diese beiden Gesellschaf- ten verteilen die Tantiemen an öster- reichische Urheber) und 03 zu spü- ren. „Pop-Nachwuchsförderung vom Feinsten" hieß es vor rund ei- nem Jahr, als man daran ging, im Rahmen eines Wettbewerbes einem österreichischen Newcomer zum Durchbruch zu verhelfen. Das ein- gereichte Material sollte in allen Stu- fen, von der Selektion, über die Pro- duktion der Single bis hin zur Ver- marktung professionell betreut wer- den: man blies zum Sturm auf die Hitparaden. Herausgekommen ist nicht mehr als ein laues Lüfterl.

Vier Titel aus 800 Einsendungen kamen in dieEndauswahl. Zwischen ihnen sollten letzten Endes die Ver- kaufszahlen der Platten und die Plazierungen in den Hitparaden entscheiden. Allein, die mit allem nur erdenklichen Aufwand ausge- wählten und produzierten Singles fielen durch. Nur derTitel „Waiting for your love" der Gruppe „Out of Rage" schien kurz in der Austro- Parade auf.

Jetzt heißt es, man wollte ohnehin nicht mehr. Monika Eigensberger, die seitens 03 die Fäden zog: „Es war nicht geplant, einen Megastar zu produzieren, sondern nur, unbe- kannten Leuten eine Gelegenheit zu geben, ihre Lieder in profihafter Aufmachungherauszubringen." Daß nicht mehr herausschaut, war ihr von Anfang an klar: „Die erste Sin- gle einer Gruppe wird nie etwas." 700.000 Schilling (soviel kostete die Aktion) für einen geplanten Flop?

Die Aktion lief nicht ganz so, wie geplant. In der Kette der Vermark- tung der vier ausgewählten Endrun- den-Singles gab es Schwachstellen. Eigensberger: „Ich hätte mir auch gewünscht, daß da manche Leute mehr getan hätten, so, wie sie ver- sprochen hatten...". Ein Seitenhieb auf die Plattenindustrie. Nur mit Mühe konnten die ausgewählten Lieder bei zwei Verlagen unterge- bracht und Platten produziert wer- den. Koch-Rekords übernahm schließlich drei der vier „Hits in spe". Aber: „Die Aktion wurde von den Konsumenten halt nicht ange- nommen", verwies Roland Hoff- mann von der Produktionsleitung auf die Verkaufszahlen. Er schob den Schwarzen Peter dem ORF zu, der die Videos zu den Liedern nicht oft genug gespielt habe. Monika Ei- gensberger kontert hingegen mit dem „Ö3-Power-Play"; was heißt, die Singles seien dreimal am Tag ge- spielt worden, mehr Sendezeit be- käme auch der jeweilige Nr. 1-Hit nicht zugestanden.

Auch Manfred Brunner von der „Austromechana", dem Mitveran- stalter des Wettbewerbes, attestier- te allen Beteiligten die beste Ab- sicht, nur „Die Plattenindustrie hat halt nicht so emphatisch reagiert." Das tut sie auch nur bei entspre-, chenden Verkaufszahlen. Man ist jedenfalls um eine Erfahrung rei- cher. Rezepte gibt es keine, Überle- gungen für die Zukunft schon. Brun- ner: „Man sollte sich zu einem einzi- gen Siegertitel bekennen, und den dafür nicht nach der ersten Single sterben lassen, so wie es jetzt pas- siert ist." Mit einem Dreijahresver- trag wäre dem hitverdächtigen Jungstar vielleicht eher gedient. Unsinnig sei es, jemanden groß rauszustellen und dann vor dem Nichts stehen lassen.

Monika Eigensberger überlegt ebenfalls Alternativen. Für eine nächste derartige Aktion, so ihre vagen Vorstellungen, sollten alle Fachleute aus den Medien gemein- sam auf Entdeckungsuche in diverse Beiseln, Hinterhöfe und Pro- benlokale gehen. „On the stage", also auf der Bühne sollten die Ta- lente eher erkannt werden, als bei synthetischen Studioproduktionen.

Vielleicht entzieht sich der Ver- marktungserfolg eines Musikwer- kes prinzipiell der Vorhersage durch Fachjuroren? In anderen Bereichen der Musik vermeidet man die Sie- gerauswahl überhaupt. Trotz Wett- bewerbsausschreibung. „Musica e Vita", eine Vereinigung zur Förde- rung des neuen religiösen Liedes, schloß vor kurzem einen Liederwett- bewerb ab, Sieger wurde dennoch keiner ausgewählt. Manfred Porsch, Mitorganisator und selbst einer der führenden christlichen Liederma- cher in Österreich, bekennt sich zur Unmöglichkeit, verschiedene gute Titel in eine Reihenfolge zu zwän- gen. Sein Ausweg: man produziert eine Musikkassette, auf der rund 20 der besten Lieder vorgestellt wer- den. Zu einer genaueren Auswahl aus den 130 Einsendungen habe man sich nicht durchringen können. „Allerdings", gibt Porsch zu, „sol- len in unserem Bereich j a auch keine Hits produziert werden."

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