6839963-1975_38_05.jpg
Digital In Arbeit

Hoch den Budgetvorhang

Werbung
Werbung
Werbung

Die Nerven von Finanzminister Androsch, so heißt es in SPÖ-Krei-sen, sollen so zerrüttet sein wie die Staatsfinanzen. Jahrelang stand der Sunnyboy der SPÖ-Regierung im Ruf, daß ihm einfach alles gelinge, daß er selbst noch aus finanzpolitischen Mißerfolgen politischen Werbegewinn zu schlagen imstande sei. Ist es damit vorbei? Ausgerechnet im letzten Monat der sozialistischen Alleinregierung und zugleich in den letzten Wochen des Intensiv-Wahlkampf es platzte die Bombe des Rechnungshofes.

In dem vom Rechnungshof fertiggestellten, doch noch nicht offiziell veröffentlichten Bundesrechnungsabschluß 1974 wird unter anderem die Feststellung getroffen, daß zur Bedeckung des Budgetdefizits 1974 in Höhe von 18,5 Mrd. Schilling vom Parlament legitimierte Kreditoperationen im Ausmaß von nur 12,4 Mrd. Schilling vorgenommen wurden. Die

6,1-Milliarden-Schilling-Differenz verteilt sich auf einen Betrag von zwei Mrd. Schilling, „für den eine gesetzliche Ermächtigung nicht vorlag und den der Kreditapparat dem Bund gegen Jahresende kurzfristig durch Erfüllung offener Lieferverbindlichkeiten zur Verfügung gestellt hat“ und auf 4,1 Mrd. Schilling, die auf das Budget des laufenden Jahres aufgerechnet wurden, wodurch „die Bedeckung der im Voranschlag für dieses Jahr veranschlagten Ausgaben in Frage gestellt wurde“.

Für Hannes Androsch kommen die Vorwürfe von Seiten des FPÖ-Rech-nungshofes natürlich auch im Hinblick auf seine Ambitionen in Richtung Kreisky-Nachfolge sehr ungelegen. Die Entlastungsangriffe durch die SPÖ-Parlamentsfraktion fielen eher lax aus. Dafür gibt es mehrere Gründe: Einmal fühlt sich die sozialistische Parlamentsriege tatsächlich vom Finanzminister düpiert, das andere Mal will sich der heimliche Parlamentschef der Sozialisten, Heinz Fischer, für Androsch nicht ins Zeug legen, weil er in ihm einen möglichen Rivalen für die Besetzung des SP-Klubobmanns vermutet.

Auch die Gründe der Budgetsituation deckt der Rechnungshof präzis auf: „Trotz der in der Folge der Kon-junkturabschwächung seit Mitte 1974 erkennbaren Tendenz eines Zurückbleibens der Abgabenerträge gegenüber dem Voranschlag sind die haushaltlich vorgesehenen Vorsorgen unterblieben“. In seiner Verteidigung beruft sich Finanzminister Androsch auf die Unmöglichkeit, exakte „Zukunftsprognosen“ machen zu können. Mit diesem Argument hat er es insofern schwer, als er wohl „rechtzeitig“ die monatliche Veröffentlichung der Steuereinnahmen des Bundes durch das Wirtschaftsforschungsinstitut schon im Oktober 1974 untersagte. Damals dürfte er noch auf eine totale Konjunkurwende gehofft haben. Als diese Hoffnungen nicht aufgingen, setzte sich Finanzminister

Androsch einige Monate später — im März 1975 — vehement für eine Vorverlegung der Nationalratswahl ein.

Der Rechnungshof wirft heute dem Finanzminister vor, daß er in insgesamt 29 Fällen „die haushaltsrechtlich erforderlichen Genehmigungen zur Überschreitung finanzgesetzlicher Ansätze nicht oder nicht zeitgerecht eingeholt hat“. Finanzminister Androsch behauptet heute, daß dies auch in den Jahren davor, und zwar unter anderer politischer Verantwortung, geschehen sei. Tatsächlich holte sich Stefan Koren 1969 für einen 54.000-Schilling-Kredit keine Ermächtigung des Parlaments; das ist allerdings ein Vierzigtausendstel jenes Betrages, um den nun der Streit zwischen Androsch und dem Rechnungshof tobt.

Der Rechnungshof weist schließlich noch auf zwei wesentliche Faktoren hin: Der Gesamtstand der Bundesschulden betrug Ende 1974 120,2 Milliarden Schilling, wovon rund 50 Milliarden Schilling auf Verwaltungsschulden entfielen. Bis Ende September 1975 haben sich die Bundesschulden auf rund 155 Milliarden Schilling erhöht. Im nächsten Jahr wird der Staat allein für die Tilgung der Bundesschuiden rund 25 Milliarden Schilling jährlich aufbringen müssen. Daraus leiten sich Befürchtungen über ein mögliches Budgetdeflzit 1976 in Höhe von 50 Milliarden Schilling ab. Beträge in dieser Höhe sind jedoch nur mehr über Inflationsraten zu finanzieren.

Die Defizite der Budgetpolitik werden wahrscheinlich gar nicht in einer Legislaturperiode des Parlaments getilgt werden können. In den Jahren eines aufsehenerregenden Booms ist — en passant — die Budgetentwicklung überbordet. Nur eine Politik der harten Hand hätte dies vermeiden können.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung