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Hochdienen genügt nicht

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Der Ruf der Politiker ist nicht zuletzt deshalb so schlecht, weil es wahrscheinlich zu leicht ist, Politiker zu werden. Fazit: die Auslese verbessern!

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Der Ruf der Politiker ist nicht zuletzt deshalb so schlecht, weil es wahrscheinlich zu leicht ist, Politiker zu werden. Fazit: die Auslese verbessern!

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Die Ereignisse der letzten Monate und Wochen haben maßgeblich dazu beigetragen, Klischeevorstellungen zu festigen: Politik ist ein Mittel, um weiterzukommen.

Die öffentliche Meinung sagt den Parteien nach, Selbstbedienungsläden für geld- und machthungrige Funktionäre zu sein.

Von Politikern erwartet man kaum saubere Westen: Nur jeder siebente Österreicher hält sie für unbestechlich.

Warum man selbst in einer politischen Partei mitzuarbeiten be-

reit ist? Für jeden zweiten ist es zwar das Interesse an aktuellen Problemen, doch vier von zehn Mitbürgern verknüpfen dieses Engagement bereits mit persönlichem Karrierestreben. Grundtenor: Ein Politiker hat ausgesorgt. Denn wenn er fällt, so fällt er weich- und nach oben. Das Risiko scheint minimal.

Wenn einer oder eine einmal einen Platz auf einer Kandidatenliste ergattert hat, geht es unaufhaltsam aufwärts. Von Wahl zu Wahl.

Und wer in der Hierarchie der Interessenvertretungen nach oben rückt, kommt gleichsam automatisch zu seinem Mandat.

Der Personalbedarf in unseren repräsentativen Demokratien für die Vertretungskörper, fürs Parlament, für die Landtage, die Gemeinderäte - die Kammern nicht zu vergessen - ist ungeheuer.

Daß dabei auch das eine oder andere schwarze Schaf nach oben schwimmt, läßt sich sicher nie gänzlich verhindern. Aber durch

eine härtere Auslese ließe sich so mancher unerwünschte Politikertyp rechtzeitig ausscheiden: noch bevor er für Skandalschlagzeilen sorgt.

Die Kandidatenauswahl als eine der wesentlichen Aufgaben der Parteien wird freilich (und nicht nur von ihnen selbst) geringgeschätzt.

„Was wollen Sie mit Ihrer Wahlentscheidung in erster Linie bestimmen?" fragte das Institut für empirische Sozialforschung (IFES) im Mai 1980 in einer reprä-^ sentativea Umfrage.

Jeder dritte Angesprochene antwortete mit: „Wer Bundeskanzler wird." Und 56 von 100

ö sterreichem wollten bestimmen, welche Partei die Regienmg stellt.

Auf die Idee, einen bestimmten Volksvertreter wählen oder abwählen zu wollen, kam im Prinzip keiner.

Der Personalisierung der Wahlentscheidung an der Spitze („Kreisky — wer sonst?") haftet ein Makel an: Im Schlepptau von Führerpersönlichkeiten kommen auch solche zu einem Mandat, die selbst über wenig Anziehungs-

kraft oder Ausstrahlung verfügen.

Dazu kommt der Um- und Mißstand, daß die Parteien den Mandatar in erster Linie als ihren Vertrauensmann betrachten: Weniger vom Vertrauen der Wähler, sondern von ihrem Vertrauen ist sein Schicksal abhängig.

Das gegenwärtige Listen- und Verhältniswahlrecht begünstigt diese Entwicklung.

Es zählt daher zu den entscheidenden Versäumnissen dieser Legislaturperiode, daß eine Wahlrechtsreform mit dem Einbau personenbezogener Elemente über die Ankündigung nicht hinausgekommen ist.

Damit sind die Wähler vorerst neuerlich um die Chance gekommen, bei der (Aus-)Wahl ihrer Politiker strengere Maßstäbe anzulegen: ihnen genügt das Hochdienen eines Kandidaten in der Partei nämlich nicht.

Im Rahmen einer Enquete der Wiener OVP über die politische Verantwortung formulierten die Teilnehmer eines kleinen Arbeitskreises Auswahlkriterien für Politiker, die größere Beachtung verdienten:

• Jeder, der in die Politik geht, soll einen i« erlernten, bürgerlichen Beruf" haben und dort schon, unter Beweis gestellt haben, daß er Verantwortung tragen kann.

• Er braucht geordnete Familienverhältnisse, private und politische Moral sind nicht voneinander zu trennen.

• Er muß Menschen mögen -und nicht nur sich selbst.

• Er muß offen und ehrlich sein, mit Zivilcourage noch dazu.

• Er muß Idealist, darf aber kein Träumer sein.

• Und er darf das Risiko nicht scheuen - auch das Risiko nicht, selbst zu scheitern und daraus die Konsequenzen zu ziehen.

Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß nannte schon Max Weber als die entscheidenden Qualitäten für einen Politiker.

Ob da nicht tatsächlich in letzter Zeit zuwenig auf die Qualifikation geachtet wurde?

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