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Hochhäuser und Verkehrshölle machen die Menschen krank

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Die ökologische Stadt -von 7. bis 9. Oktober beraten Experten bei einem internationalen Kongreß in Wien die Zukunft der Großstädte.

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Die ökologische Stadt -von 7. bis 9. Oktober beraten Experten bei einem internationalen Kongreß in Wien die Zukunft der Großstädte.

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Das Konzept einer klaren Gliederung der Lebensbereiche in Arbeits-, Wohn-, Erholungsund Verkehrsraum, das der schweizerisch-französische Architekt Le Corbusier zu Beginn dieses Jahrhunderts postuliert hat, darf als überholt betrachtet werden. Das Resultat ge-neralstabsmäßiger Planung menschlicher Lebensbereiche ist bekannt: Seelenlose Satellitenstädte, motorisierte Stadtflucht „ins Grüne", Vernachlässigung gewachsener innerstädtischer Strukturen.

Die Stadt als Lebensraum muß zum Erlebnisraum werden; die Straße als Kommunikationselement zwischen Menschen, nicht als Lebensbedrohung. Der Bezirk als Naherholungsgebiet vor der Haustür.

So oder ähnlich könnte die Vision einer „ökologischen Stadt" gezeichnet werden. Werner Katzmann, Leiter der Arge Umwelterziehung bringt die Hauptproblematik auf den Punkt: Die schwächsten Teile der Gesellschaft - etwa Kinder — sind Hauptleidtragende von überbordendem Mobilitätswahn und daraus resultierenden widrigen Umweltbedingungen.

Dem innerstädtischen Verkehr kommt eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung der Umweltprobleme in der Stadt zu. Ist es zu verantworten, der „grenzenlosen Freiheit auf Rädern" weiterhin wertvollen städtischen Lebensraum zu opfern und öffentliche Verkehrsmittel gleichsam im Dornröschenschlaf zu belassen?

Am Reispiel von Zürich zeigt sich, wie Prioritäten in der Verkehrsplanung gesetzt werden könnten: „Intelligente" Ampelkreuzungen bevorzugen öffentliche Verkehrsmittel tervalle und enge In-Verbesserung der Pünktlichkeit steigern die Attraktivität der „Öffis". Gleichzeitig reicht aber die alleinige Förderung öffentlichen Verkehrs nicht aus, um eine spürbare Entlastung des städtischen Verkehrs zu erzielen. Ohne Rückbau der Einfallstraßen blieben meßbare ^„„^ Verringerungen beim In dividualverkehr aus.

Eine weitere Notwendigkeit städtischer Verkehrsplanung ist eine Forcierung des Fahrrads. Dieses ist auf kurzen Distanzen dem Auto ebenbürtig. Doch kommt eine Fahrt auf zwei Rädern durch eine Großstadt bei derzeitigen Verkehrsverhältnissen einem Kamikaze-Un-ternehmen gleich.

Ein Bündel von Maßnahmen ist also nötig, um die Verkehrshölle Großstadt zu einem lebenswerten Raum zu machen: Förderung öffentlicher Verkehrsmittel, Schwerpunktsetzung bei Rad-und Fußgeherverkehr. Dies impliziert aber eine Reduktion des Kfz-Verkehrs. Robert Thaler vom Verkehrsclub Osterreich (VCÖ) rechnet vor, daß der heutige Kfz-Verkehr die Zumutbarkeitsgrenze um das Doppelte überschreitet. Notwendig wäre „die Halbierung des motorisierten Individualverkehrs bis 2010". Intensive Parkraumbewirtschaftung, Kostenwahrheit im Straßenverkehr und Kfz-spa-rende Raumordnungs- und Siedlungspolitik sind die Schlüssel dazu.

Dem Diktat der Mobilität ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr öffentlicher Freiraum zum Opfer gefallen. Trostlose Straßenschluchten, die spielenden Kindern nur mehr die parkenden Autos als Versteckmöglichkeit offerieren, sind die Folge. Innenhöfe, die letzten „grünen Oasen", schienen durch verstärkten Hochhausbau nicht mehr notwendig. Im Rahmen eines WHO-Projekts konnte jedoch ein neues städtisches Krankheitsbild identifiziert werden: Die „Gebäudekrankheit". Renate Walter, Leiterin des Instituts für Umweltmedizin: „Durch den Schornsteineffekt in den Treppen und Aufzügen von Hochhäusern kommt es in den oberen Stockwerken zu gehäuftem Auftreten von Mikroorganismen und somit zu vermehrten Krankheitsfällen." Eine Tatsache, die den weiteren Bau von Hochhaussiedlungen neu überdenken läßt."

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