6907367-1980_48_17.jpg
Digital In Arbeit

Hochschule auf Freiersfüßen

Werbung
Werbung
Werbung

„Es ist uns gelungen, die Schalteratmosphäre auszuschalten" freut sich der Prorektor der Wiener Universität, Univ.-Prof. Richard Plaschka, über den Erfolg der Studienberatung im Rahmen der Aktion „Die Universität Wien geht in die Außenbezirke".

„Es war eine gelöste Cafehausatmosphäre" ergänzt Dr. Clemens Hüffe.!, Öffentlichkeitsarbeiter vom Dienst für die Wiener Universität und Cheforganisator der nun zu Ende gehenden Initiative der größten österreichischen Hochschule.

Tatsächlich drängten an jedem der acht Beratungstage mindestens hundert Beratungsuchende, insgesamt also wohl 2000, in den Festsaal der Wiener Uni, wo - an zahlreichen Tischen lok-ker verteilt - während der acht Tage insgesamt 190 Berater (vom Ordinarius bis zum Studenten) über die Studienrichtungen an sämtlichen Wiener Universitäten und Kunsthochschulen informierten, erstmals traten so viele Hochschullehrer in der Studienberatung

(sonst eine Domäne der Hochschülerschaft) in Aktion.

Unter den zur Beratung Strömenden - auffallend der Andrang bei den Kunsthochschulen, am Tisch der Dolmetscher und in der Medizinerecke -waren einige Lehrer und Eltern, „doch in erster Linie Schüler der siebenten und achten AHS-Klassen", weiß Dr. Horst Haselsteiner, selbst Berater und Assistent an Prorektor Plaschkas Institut für Osteuropäische Geschichte, zu berichten, „wobei die Mädchen dominierten".

Verständlicherweise kamen die jungen Leute eher zu zweit oder zu dritt -so verliert man leichter die Schwellenangst vor den heiligen Hallen der Alma mater Rudolfina -, und sie kamen mit absolut noch keinen fixierten Plänen, sondern ließen sich zum Teil in diametral verschiedenen Studienrichtungen -etwa Mathematik und Musikwissenschaft - beraten.

Spielten dabei nur persönliche Neigungen oder auch praktische Motive eine Rolle?

Die Schuljugend ist realistisch, das zeigen Horst Haselsteiners Erfahrungen: „80 Prozent haben das Thema Studienwahl unter dem Aspekt der Berufsaussichten angeschnitten."

Auch heikle Fragen wurden offen gestellt, etwa: „Stimmt es, daß man an den Kunsthochschulen bei den Aufnahmsprüfungen Protektion braucht?" Es stimme nicht, erklärte der Berater, doch die Auswahl sei angesichts der vielen Bewerber und der wenigen Ausbildungsplätze meist sehr streng.

Fast ständig läutete im Rektorat das Telefon, wünschten Anrufer Auskünfte. Eine Menge Informationsmaterial wurde Auskunftheischenden in den Bundesländern zugeschickt.

Aber die Studienberatung war nur ein Teil der großangelegten Aktion, mit deren Gesamtverlauf man seitens der Universität, aber auch seitens des Sponsors - der Zentralsparkasse und Kommerzialbank (Z) - höchst zufrieden war. Die Wiener Uni umwarb dabei den „Mann von der Straße", ging gleichsam auf Freiersfüßen in die Außenbezirke.

So fanden in Z-Filialen, in Volkshochschulen, aber auch in den katholischen Bildungshäusern in Lainz und Neuwaldegg Vorträge namhafter Professoren und Dozenten der Wiener Universität statt, die - so Clemens Hüffel -durchwegs 50, meist aber an die 100 und sogar noch mehr Besucher aufzuweisen hatten. Auf diese Art dürften Tausende Kontakt mit der Universität bekommen haben.

Den Vortragenden ist es dabei gelungen, sich „populärwissenschaftlich" im besten Sinn auszudrücken und den richtigen Zugang zu den Zuhörern zu finden. Beweis dafür: Wie rasch und ungezwungen, mitunter (etwa beim Vortrag des Sportmediziners Univ.-Prof. Ludwig Prokop) schon während des Referates, Diskussionen zwischen Zuhörern und Vortragenden zustandekamen.

Als Beispiele die beiden noch bevorstehenden Vorträge (jewei's 27. 11. 1980): Univ.-Prof. Renate Wagner-Rieger über „Die Architektur der Wiener Ringstraße" (Z-Filiale Operng. 20 b, 1010 Wien, 18 Uhr) und Univ.-Prof. Rupert Riedl über „Forschung unter Wasser" (Volkshochschule Bri-gittenau, Raffaelg. 13, 1200 Wien, 18.30 Uhr).

Gut angekommen sind auch die Ausstellungen in den Z-Filialen, die inzwischen den ursprünglichen Standort gewechselt haben, aber noch durchwegs bis Dezember geöffnet sind.

Gewisse quantitative Aufschlüsse über den Erfolg der Aktion wird die Beteiligung am gleichzeitig laufenden Preisausschreiben, bei dem immerhin ein VW-Golf zu gewinnen sein wird, geben. Darüber hinaus laufen begleitende Kontrolluntersuchungen.

Bei soviel gutem Willen (die Vortragenden verzichten auf Honorare) muß man der Aktion wünschen, daß sie ihr Ziel erreicht. Dieses besteht, so Prorektor Plaschka, darin, „der Bevölkerung zu zeigen, daß an den Universitäten für die Allgemeinheit Sinnvolles geleistet wird".

Ein Geldinstitut hat dabei der Universität, die über kein eigenes Budget für Öffentlichkeitsarbeit verfügt, unter die Arme gegriffen. Solange dadurch die Wirtschaft die Hochschulen nicht in den Griff bekommt, ist dergleichen lobenswert. Und solange die Werbetätigkeit der Geldinstitute sinnvollen Dingen zugute kommt, sollen sie einander nur einen edlen Wettstreit liefern.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung