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Hören auf die Literatur

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Im Zuge der fortschreitenden Sä- kularisierung haben die verschie- denen gesellschaftlichen Bereiche eine Eigendynamik entfaltet, die sie von den ursprünglich motivie- renden geistigen Wurzeln einer mehr oder weniger homogenen christlichen Weltanschauung ent- fernten. Auch auf dem Gebiet der Kunst ist dieser Vorgang zu beob- achten. Umso bedeutsamer sind daher alle Versuche von christli- cher Seite, sich dialogisch mit den für die jeweilige Zeit bedeutsamen Fragen zu befassen.

Eine kirchliche Einrichtung, die sich der Aufgabe widmet, in den Dialog mit literarischen Zeugnis- sen sowie mit Schriftstellern und Schriftstellerinnen zu treten, ist das „Literarische Forum" (vormals „Buch und Schrifttum") der Ka- tholischen Aktion, das vor einiger Zeit sein 40-Jahr-Jubiläum beging und aus diesem Anlaß zu einem Symposion lud.

Jürg Amann (Uetikon/Schweiz) hielt das Eröffnungsreferat mit dem Titel „Reich Gottes! - Unzeitgemä- ße Betrachtungen zur Rolle der Literatur". Selbst von der Litera- turwissenschaft herkommend - Amann dissertierte über Franz Kafka - sieht er literarisches Schat-

tiert. Mit dieser Urkunde waren die Fakultäten der Freien Künste, bei- der Rechte und der Medizin zu- gelassen, vorerst noch nicht die Theologie. Zu Ende des 13. Jahr- hunderts war Portugal eben erst in seinem heutigen Umfang existent.

Von LOTHAR STRÄTER

1250 waren die letzten Mauren vertrieben worden, 1267 die Gren- ze gegenüber Kastilien festgelegt.

Wollte Portugal ein unabhängi- ger Staat bleiben, konnte es seine Studenten nicht ins Ausland schik- ken, seine Beamten nicht im spani- schen Salamanca ausbilden lassen. Die Schulung der Führungskräfte des Landes war und blieb die Hauptaufgabe. Eine einheitlich ge- bildete und ausgerichtete Ober- schicht war die Folge. Große Inno- vationen waren von ihr nicht zu er- warten. So läßt sich kaum in Er- fahrung bringen, was Coimbra etwa zu den großen Entdeckungsreisen beigetragen hätte.

Prinz Enrique - „Heinrich, der Seefahrer" -, der von 1394 bis 1460 lebte und selbst kaum zur See fuhr,

fen im literaturgeschichtlichen Kontext. In seinen Ausführungen erläuterte Amann seine Sicht eines Zusammenhanges zwischen Lite- ratur und Reich Gottes.

Die Losung „Reich Gottes!", mit der sich am 19. September 1793 die drei Schulfreunde aus dem Tübin- ger Stift, Friedrich Hölderlin, Frie- drich Hegel und Friedrich Send- ling, voneinander verabschiedeten, um sich damit gegenseitig zu welt- veränderndem schriftstellerischem Wirken zu ermuntern, wählte Amann als Titel, weil für ihn das „Projekt .Reich Gottes'" seinen Sinn nicht verloren hat. In einer schein- bar gottlosen Zeit kommt den Men- schen die volle Verantwortung da- für zu, das Reich Gottes zu gestal- ten. Gegenüber Hoffnungs- und Sinnlosigkeit bedarf es der Utopie als Gegenentwurf, der Utopie einer möglichen besseren Welt. Litera- tur, die immer Utopie ist, vermag in diesem Sinn beizutragen, „Reich Gottes" mitzugestalten.

Weihbischof Helmut Krätzl wies als Bischofsvikar für Erwachsenen- bildung in seinem Referat „Litera- rische Bildungsarbeit als Anliegen der Kirche" auf die Bedeutsamkeit der Literatur als Spiegel der Zeit hin. Die Kirche, die vom Hören auf

richtete sich im Südwesten des Lan- des, in Sagres, ein eigenes For- schungszentrum ein. Dort trug er alle Informationen zusammen, die in der damals bekannten Welt über Navigation, Astronomie, Schiffbau, Waffentechnik oder Geographie erreichbar waren.

Als 1536 in Portugal die Inquisi- tion mit ihrer strengen Reglemen- tierung des geistigen Lebens ihre Tätigkeit aufnahm, wurden viele Gelehrte, vor allem jüdischer Her- kunft, vertrieben oder gar ver- brannt. Von 1580 bis 1640 war Portugal von Spanien beherrscht. Aus solchen Daten wird ersicht- lich, welche Beeinträchtigungen die freie Entfaltung der Wissenschaf- ten immer wieder erfuhr.

Freilich standen dem auch Epo- chen der Reform und der Liberali- tät gegenüber. Unter König Jose hatte 1750 bis 1777 als leitender Minister der Marquis von Pombai nahezu unumschränkte Macht. Als Gesandter in Wien hatte er schon vorher Verbindung mit führenden Köpfen der Aufklärung aufgenom- men und setzte seine Beziehungen später brieflich fort. Pombals Tat- kraft verdankte das Land die Über- windung der verheerenden Folgen

das Wort bestimmt ist, könne auch im Hinhören auf zeitgenössische Literatur Fragen und Anliegen der Menschen von heute besser verste- hen lernen. Wie an literarischen Beispielen gezeigt, befassen sich viele Schriftsteller(innen) in ihren Werken mit der Sinnfrage und mit dem Problem, den Glauben an Gott mit dem Vorhandensein des Übels in der Welt zu vereinen.

Selbst kirchenkritische Schriften könnten, wenn ihre Herausforde- rung dialogisch angenommen wür- de, verdeckte Hoffnungen und Er- wartungen gegenüber der Kirche beziehungsweise der christlichen Verkündigimg erkennbar machen. Um mit der gegenwärtigen Zeit und den Fragen der Menschen im Ge- spräch zu sein, bestünde geradezu eine „Verpflichtung zum Lesen" für Priester, Pastoralassistenten und andere pfarrliche Mitarbeiter.

Das Symposion gab, wie auch die lebhaft geführte Podiums- und Pub- likumsdiskussion, Anlaß, erneut über die gegenseitige Bereicherung eines verständnisvoll geführten Dialoges mit literarischen Werken aus christlicher Sicht nachzuden- ken.

Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeite- rin des „Literarischen Forums".

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