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Hoffnung für den Rio-Gipfel

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Der sogenannte Erd-Gipfel vom 3. bis 14. Juni in Rio de Janeiro wird sicherlich zu einem Streit-Gipfel in Umweltfragen. Die Dritte Welt will keinen Umwelt-Imperialismus, Industriestaaten setzen auf weiteres Wachstum. Hat da eine Umweltkonvention, wie Österreich sie sich vorstellt, eine Chance?

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Der sogenannte Erd-Gipfel vom 3. bis 14. Juni in Rio de Janeiro wird sicherlich zu einem Streit-Gipfel in Umweltfragen. Die Dritte Welt will keinen Umwelt-Imperialismus, Industriestaaten setzen auf weiteres Wachstum. Hat da eine Umweltkonvention, wie Österreich sie sich vorstellt, eine Chance?

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Wollte man beispielsweise China mit seiner 1,2 Milliarden-Bevölkerung einen sogenannten westlichen Lebensstandard verpassen, müßte man etwa 765 Kernkraftwerke bauen und zusätzliche 300 Millionen PKWs in Kauf nehmen. Allein diese unvorstellbare Zahl und die damit verbundene Umweltbelastung - an einem Beispiel demonstriert - macht das gigantische Problem deutlich, vor dem die Welt heute steht.

Wer wollte es den Chinesen - man kann hier durchaus andere Länder einsetzen -verdenken, wenn sie das haben wollen, was in unseren Augen das Leben lebenswert macht? Wer im Westen kann Brasilianern argumentativ begegnen, wenn diese Warnungen zurückweisen, die von Industriestaaten begangenen Umweltsünden zu wiederholen? Und trotzdem - die Welt steht vor einem Scheideweg. Der Technik-Philosoph Hans Jonas hat dies diese Woche in einem „Spiegel"-Interview dramatisch ausgedrückt: „Sind wir jetzt nicht aufgerufen zu einer ganz neuen Art von Pflicht, zu etwas, das es früher eigentlich nicht gab - Verantwortung zu übernehmen für künftige Generationen und den Zustand der Natur auf der Erde?"

Aber solange sich jemand nicht wirklich bedroht fühlt, solange gibt es keine Revision der Lebensführung. Mit dieser international verbreiteten Hinter-mir-die Sintflut-Einstellung hat auch jener Vorschlag zu kämpfen, der auf Österreichs Außenminister Alois Mock zurückgeht und der als Umweltkata-strophenverhütungsmechanismus beim Erd-Gipfel in Rio Beachtung finden soll. Wie der Leiter des Völkerrechtsbüros im Außenamt, Botschafter Helmut Türk, unlängst erläuterte, will Österreich eine Art „Umweltkonvention" auf UNO-Basis entwickeln helfen, die ähnlich der „Menschenrechtskonvention" Staaten gegenüber der Staatengemeinschaft zur Einhaltung und Respektierung bestimmter Umweltstandards verpflichtet.

Wie bei den Menschenrechten - so Türk -könne auch in Umweltfragen das Prinzip der Reziprozität - was einem Staat erlaubt ist, das darf auch ein anderer machen - nicht angewendet werden. In Rio will Österreich diesen Gedanken propagieren und zur internationalen Bewußtseinsbildung animieren. An erster Stelle steht dabei das Prinzip der Verhütung von Umweltkatastrophen, als schwieriger wird ein Streitschlichtungsverfahren erachtet, dem sich Staaten bei Umweltstreitigkeiten unterwerfen müßten. Es geht dabei um ein Instrumentarium, wie Staaten auch auf dem Gebiet der Umwelt zur friedlichen Streitbeilegung, wenn die Verhütung schon nicht gelingt, kommen können. Dabei sollen auch „UNO-Grünhelme" eine besondere Rolle spielen.

Wenn ein Staat der Meinung ist, ein anderer verursache Umweltschäden, so soll er - diesem Mechanismus gemäß - das Recht auf Information haben, die der beschuldigte Staat zur Verfügung stellen muß. Wenn die Antwort nicht zufriedenstellend ausfällt oder bei Informationsverweigerung soll eine Untersuchungskommission („Grünhelme" im übertragenen Sinn) auf den Plan treten. Österreich, das sehr stolz auf seine Umweltstandards ist, hat auch für die Zusammensetzung dieser Kommission schon detaillierte Vorschläge ausgearbeitet. Auch an die Einsetzung eines Schiedsgerichts ist gedacht. Für das Außenministerium wäre es ein Erfolg, wenn die Denkanstöße in der Schlußdeklaration des Erd-Gipfels von Rio Beachtung fänden.

Der Weg zu einem internationalen Umweltbewußtsein ist unendlich weit. Indira Gandhi hat einmal von einem Luxus gesprochen, den sich die Dritte Welt mit Umweltfragen nicht leisten könne. Dazu Botschafter Türk mit verhaltenem Optimismus: „Das Umweltrecht ist noch nicht sehr ausgeprägt, aber Österreich will in diesem Sinn weiterarbeiten, denn steter Tropfen höhlt den Stein."

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