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Hoffnung fur Lepra-Kranke

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Lepra ist - obwohl seit langem mit Medikamenten bekämpfbar - immer noch eine Krankheit, die Millionen von Menschen in der Dritten Welt zu Krüppeln macht. In Madagaskar läuft ein Hilfsprojekt.

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Lepra ist - obwohl seit langem mit Medikamenten bekämpfbar - immer noch eine Krankheit, die Millionen von Menschen in der Dritten Welt zu Krüppeln macht. In Madagaskar läuft ein Hilfsprojekt.

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Madagaskar, wegen der roten Farbe der Erde auch „rote Insel“ genannt, ist siebenmal so groß wie Österreich und liegt 300 Kilometer vor der Küste Südostafrikas. Die hauptsächlich aus malaiisch-po-lynesischen Stämmen bestehende Zehn-Millionen-Bevölkerung lebt zu 85 Prozent auf dem Land in ärmlichen Hütten„ ohne jeden Komfort und vor allem ohne die hygienischen Kenntnisse, die bei der Vorbeugung gegen Krankheiten erste Voraussetzung sind.

So leiden laut einer UNICEF-Studie auf Madagaskar bis zu sie-

ben von zehn Kindern an chronischer Unterernährung. Die Kindersterblichkeit hat sich in den letzten zehn Jahren beinahe verdoppelt und ist in 85 Prozent aller Fälle auf Unterernährung zurückzuführen.

Die allgemeine medizinische Versorgung spottet trotz eiruger moderner Krankenhausbauten jeder Beschreibung. Manche Krankenhäuser sind so schlecht ausgerüstet, daß sich die Patienten Leintuch, Seife, einen Kübel Wasser, Lebensmittel und am besten auch die nötigen Medikamente selbst mitbringen müssen.

Am schlimmsten ist die Lepra. Man schätzt, daß es auf Madagaskar allein 200.000 Leprakranke gibt, das sind zwei Prozent der Bevölkerung. Doch nur ein Bruchteil von ihnen ist überhaupt erfaßt oder bekommt Hilfe in einem der 29 Leprosarien, die es neben 732 Zentren zur Leprabekämpfung auf Madagaskar gibt. Aber auch hier ist der Staat nicht in der Lage, die ständige Versorgung der Leprakranken zu garantieren, sondern hofft auf die Unterstützung der Kirchen. So werden die meisten staatlichen Leprosarien von katholischen Missionaren, Schwestern und Laien geführt.

Lepra, auch Aussatz genannt, die uralte Geißel der Menschheit, entsteht durch ein Bakterium, das von Mensch zu Mensch übertragen wird. Die Zeitdauer zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit kann zwischen drei und dreißig Jahren betragen. Erste Signale der beginnenden Krankheit sind gefühllose Flek-ken auf der Haut und der Verlust

der Sensibilität an Händen und Füßen, was häufig zu eitrigen Verletzungen und Verbrennungen führt. Dadurch kann es zum Verlust von Fingern, Händen, Zehen und Füßen kommen.

Da das Bakterium die Nerven befällt, bilden sich die Finger zu einer Krallenhand. Auch können die Augenlider davon betroffen sein, so daß Augäpfel austrocknen oder durch Fremdkörper bis zur Erblindung zerstört werden.

Die Gesichter werden häufig übersät mit häßlichen Leprabeulen; die Nasenscheidewand fäUt ein.

Früher galt diese Krankheit als unheilbar. Deshalb mußten Leprakranke in einem Ghetto leben. Die moderne Medizin ist inzwischen durchaus in der Lage, die Ausbreitung des Aussatzes zu stoppen. Dank modernster Vorsorgeuntersuchungen kann die Lepra, die in verschiedenen Formen auftritt, bereits frühzeitig erkannt und auf medikamentösem Wege geheilt werden.

Kommt die erste Hilfe zu spät und sind bereits Verunstaltungen eingetreten, kann diesen Kranken auch dann noch geholfen werden: Durch Wiederherstellungschirurgie und Heilgymnastik können beispielsweise die Hände wieder ihre Funktion erhalten; Gesichter werden zurückgegeben, Fallfüße reguliert; orthopädisches Schuhwerk und Prothesen schützen vor weiteren Verletzimgen.

Am Ende einer nichtbehandelten Lepra bleibt jedoch häufig ein menschliches Wrack übrig, verkrüppelt und deformiert!

Lepra ist eine Krankheit der Armut; die Armen sind die Opfer. Verständlich also, daß heute die Lepra an den Elendsgürteln der Dritten Welt zu finden ist. Die Zahl der Leprakranken hat sich weltweit in den letzten Jahren auf 20 Millionen erhöht.

In den Mittelpunkt des Weltlepratages stellen die österreichischen Kamillianer heuer das kleine Dörfchen

Ilena im Hochland von Madagaskar, elf Kilometer von der zweitgrößten Stadt der Insel, Fiana-rantsoa, entfernt. In den armseligen Hütten dieses staatlichen Le-prosariums leben Aussätzige, herausgerissen aus ihren Familien, sozial isoliert und wegen der Ansteckungsgefahr gefürchtet, fast ohne medizinische Versorgung. Das Hilfsprogramm der Kamillianer für das Lepradorf Ilena sieht vier Schritte vor:

• Einrichtung einer ständigen Medikamentenausgabe. Mit dem Sulfon-Präparat DDS kann die Lepra in jedem Stadium gestoppt werden, in schweren FäUen durch lebenslange Behandlung. DDS ist billig. Nur 35 Schilling kosten 1000 Tabletten, die ausreichen, einen leprakranken Patienten drei Jahre lang zu behandeln.

• Entsendung eines ärztlichen Teams, das ständig auf Ilena anwesend sein wird und das Dorf zu einem Gesundheitszentrum auch für die Umgebung ausbaut. Schon jetzt ist der österreichische Ka-millianerpater Engelbert Gruber in der Betreuung der Kranken von Ilena tätig. Zwei polnische Kamillianer stehen ihm zur Seite.

• Ausbau und Renovierung der Häuser nach modernen hygienischen Gesichtspunkten. Hygienische Maßnahmen wie sauberes Trinkwasser sind neben ernäh-nmgsbedingten Faktoren die wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen die Lepra.

• Vermittlimg der Grundbegriffe von Hygiene und gesunder Ernährung an die Bevölkerung, vor allem an die Kinder. Nur durch eine Änderung der Lebensverhältnisse kann die Lepra nachhaltig imd auf Dauer bekämpft werden.

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