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Hoffnung und Besinnung

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Nachdem feststeht, daß Ägypten und Syrien sich durch die Truppen-entflechtungsabkommen für die Suezkanal- und Golanfront wesentliche strategische, territoriale und politische Vorteile sichern konnten, streben jetzt auch die übrigen „Konfrontations“- und Nachbarstaaten Israels, Jordanien und der Libanon, nach bilateralen Abkommen. In Beirut schließt man nicht einmal aus, daß auch Kairo noch vor Beginn der eigentlichen Genfer Venhandlungs-phase noch einmal separat mit Israel verhandeln könnte, um einen weiteren gegnerischen Rückzug zu erreichen. Dahinter steckt offensichtlich weniger die Absicht, die arabische Verhandlungsposition in Genf noch weiter zu verbessern, sondern eher die Überlegung, daß die unterschiedlichen Interessen der einzelnen arabischen Verhandlungspartner in Genf die Lösung der eigenen territorialen Probleme mir komplizieren könnten. In Kairo, Damaskus, Amman und Beirut verlegt man sich daher jetzt auf den Versuch, die eigenen Streitigkeiten mit dem zionistischen Staat jeweils in separaten Verhandlungen beizulegen und die Genfer Konferenz danin auf weite Strecken vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Käme es dazu, wofür gegenwärtig vieles spricht, hätten die Palästinenser die Zeche zu bezahlen. Die Freischärler scheinen das auch bereits klar erkannt zu haben, doch konnten sie sich anscheinend nicht über ihre Gegenstrategie einigen. Die bisher bekannt gewordenen Beschlüsse des in Kairo tagenden Nationalkongresses sind ein Spiegelbild der Ratlosigkeit Der Chef der Dachgruppe „Palästinensische Befreiungs-Organisa-

tiori“, Jassir Arafat, und mit dem Gros der Funktionäre von „el-Fa-tach“ auch die meisten kleineren Verbände, tendieren zur Gründung einer Exilregierung, die Anmeldung von Ansprüchen auf die Gründung eines Palästinarumpfstaates auf Westufer und Gazastreifen und zur Durchsetzung dieser Ansprüche bei der Genfer Konferenz. Was Arafat und die „el-Fatach“ angeht, ist diese Haltung aber keineswegs eindeutig. Der PLO-Chef scheint sich aktiv in den Guerrillaterror gegen Israel einzuschalten, und in seiner Organisation gibt es eine starke Gruppe von Anhängern einer Fortsetzung des Kampfes „bis zum Endsieg“. Diese Zwiespältigkeit dürfte darauf hinauslaufen, daß man die Entstehung eines Rumpfstaates lediglich als wichtige Vorstufe zur Liquidierung

Photo: AP *

des zionistischen Phänomens ansieht.

Obwohl also ein Palästinastaat zwangsläufig revanchistisch wäre und noch lange Zeit ein gefährlicher Unruhefaktor im Vorderen Orient sein würde, weil er den Freischärlern zum erstenmal nach einem Vierteljahrhundert zu einer eigenen und von niemand kontrollierbaren territorialen Basis verhelfen würde, hat er entschlossene Gegner. Die Links-

radikale „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ von Georges Habasch, die maoistische „Demokratische Volksfront“ unter Nedschif Hauetmie, das „Generalkommando“ des Achmed Dschibrill und der „Schwarze September“, die teilweise auf dem Kairoer Kongreß überhaupt nicht vertreten sind, wollen die Fortsetzung des Untergrundterrors um jeden Preis.

Das Spektrum der in Kairo vertretenen Meinungen läßt bis jetzt nur den einen Schluß zu, daß die Guerrilleros für Israel schwer akzeptable Verhandlungspartner werden können und daß selbst Verhandlungen mit ihnen keine Lösung des israelisch-palästinensischen Gegensatzes mit sich bringen können. Kissingers gewöhnlich als sehr araberfreundlich bezeichneter Vertreter Joseph Sisco soll am Rand der Verhandlungen über ein syrisch-israelisches Truppenentflechtungsabkommen mit PLO-Funktionären gesprochen und die Anerkennung Palästinas durch die USA in Aussicht gestellt haben. Doch wie wenig Wert die Unterschrift eines PLO-Delegier-ten unter ein Genfer Friedensabkom--men wäre, zeigen die Vorgänge der letzten Tage in einigen libanesischen Flüchtlingslagern. An . mindestens drei neuralgischen Punkten kam es zu Schießereien, und es gab Tote und Verletzte. Die politische Entwicklung unter den Palästinensern ist offenkundig noch nicht weit genug fortgeschritten, als daß unterlegene Gruppen zur Anerkennung von Mehrheitsentscheidungen bereit wären. Dies bleibt vorläufig die Crux des Palästinakonfliktes.

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