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Hoffnungsstrahl für verzagte Christen
Klingt spanisch, Cursillo — und ist es auch: ein kleiner Kurs. Er dauert nur drei Tage. Aber er hat es in sich. Weltweit dieselbe Erfahrung: Gottesbegegnung, Bekehrung - und viel Freude. ..
Klingt spanisch, Cursillo — und ist es auch: ein kleiner Kurs. Er dauert nur drei Tage. Aber er hat es in sich. Weltweit dieselbe Erfahrung: Gottesbegegnung, Bekehrung - und viel Freude. ..
Immer wieder hört man, daß Menschen ganz verändert von einem solchen Kurs nach Hause kommen. Fragt man sie dann, was da eigentlich los gewesen sei, so tun sich die meisten schwer mit der Antwort: Uber Wesentliches im Christentum sei gesprochen worden — und zwar so, wie man das vorher noch nie gehört hatte. Und: Man habe eine fröhliche Gemeinschaft erlebt, denn Christsein habe etwas mit Freude zu tun... Aber, was da wirklich die Bereitschaft zur Änderung hervorgerufen habe, sei schwer zu sagen. Und es stimmt: Wie soll man einer agnostischen Welt verständlich machen, daß man dem lebendigen Gott begegnet ist. Selbst im christlichen Milieu macht man sich mit solchen Aussagen verdächtig.
So oder ähnlich geht es den meisten, die — sehr oft nach langem Drängen von Freunden, die schon einen Cursillo miterlebt hatten -sich endlich aufgerafft und drei Tage für den Herrgott investiert haben, wenn sie nun Rede und Antwort stehen sollen. „Das mußt Du Dir selber anschauen“, ist dann häufig die Antwort.
Das macht zwar einerseits neugierig, erweckt aber andererseits den Verdacht, daß es sich hier um sektiererische Praktiken handelt, um zwielichtige Methoden der Gehirnwäsche.
Mit solchen Verdächtigungen wurde die Cursillo-Bewegung -der erste Kurs wurde im Jänner 1949 in Mallorca abgehalten - vor allem in ihren Anfangsphasen konfrontiert. Pater Josef Garcia Cascales, ein Claretiner-Pater, der den Cursillo 1960 nach Österreich „importiert“ hat, wüßte ein Lied davon zu singen. Und dennoch: Mittlerweile werden in mehr als 50 Ländern auf allen Kontinenten solche Kurse abgehalten. Dank des unermüdlichen Einsatzes von Pater Josef ist Wien geradezu eine Zentrale dieser Bewegung geworden. Von hier aus gelangte der Cursillo nach Deutschland, nach Südtirol, aber auch nach Slowenien.
Eigentlich ist es unbegreiflich, daß dieses Instrument der Seelsorge nicht viel intensiver eingesetzt wird, gerade in einer Zeit, in der das sogenannte christliche Abendland so dringend der Bekehrung und Glaubenserneuerung bedarf. Denn genau das ist das Anliegen dieser Erneuerungsbewegung: Die Getauften zu einem bewußten Ja zu ihrer Taufe zu führen.
Wer daher an einem Cursillo teilnimmt, merkt bald, daß es nicht um Diskussion oder Erbauung, sondern um die eigene Person geht: Erkenne Dich selbst — hat Dein Leben ein Ziel, für das es sich lohnt, alles einzusetzen? Diese Frage steht am Anfang. Und die drei Tage bieten ein solches Ziel an: den lebendigen Gott — und zwar in einer für den Menschen unserer Tage zugänglichen Form.
Priester und Laien tragen abwechselnd vor: eine leicht faßliche, in Bildern vorgetragene Lehre und das Zeugnis von handfest im Alltag gelebter christlicher Praxis. Angesprochen wird dabei nicht nur der Intellekt, sondern die ganze Person. Und das ist vielen — besonders im ach so verhirn-ten Europa — suspekt. Und dabei geht es doch um die unfaßbar beseligende Botschaft, daß Gott uns liebt! Daß der Mensch gewordene Gott, Jesus Christus, eine ganz persönliche Liebesbeziehung mit jedem einzelnen von uns eingehen will!
Kann man diese Botschaft etwa nur nüchtern und intellektuell analysieren? Wird sie nicht vielmehr erst dann fruchtbar, wenn ich mit meiner ganzen Person Antwort gebe: mit dem Intellekt-ja! -, aber auch mit dem Herz und der Emotion. Genau dafür bieten Cursillos Raum. Und wie befreiend das wirkt!
Es ist jedesmal verblüffend zu erleben, wie eine Gruppe von Kursteilnehmern, die sich anfangs unsicher, abwartend, fremd gegenüberstehen, nach kurzer Zeit so zusammenwächst, daß sie nicht mehr auseinandergehen will. Und das erlebt man nicht nur bei Frauen-Cursillos. Da könnte man sagen das weibliche Geschlecht tue sich eben mit dem Gefühlsausdruck leichter. Auch durchaus gestandene, auf äußere Haltung bedachte Männer entdecken eine oft verschüttete Gefühlswelt. Am deutlichsten merkt man es an den Augen: vorher reserviert - nachher strahlende, offene Blicke.
Es ist gerade diese Begeisterung vielen Außenstehenden verdächtig. Und mancher wird in seiner kritischen Haltung auch noch dadurch bestärkt, daß Cursillo-Teilnehmer im ersten Uberschwang meinen, nun die „christliche Weisheit“ mit dem großen Löffel gegessen zu haben. Mancher versucht dann seinen Pfarrer endlich „zur rechten Lehre“ zu bekehren oder teilt die Christenwelt in zwei Lager: die Cursillista und den lauen Rest.
Aber wo gibt es keine Übertreibungen? Hierzulande ist uns leider nur die übertriebene Lauheit und Oberflächlichkeit vertraut. Gehen wir daher mit dem übertriebenen und unreifen missionarischen Eifer nicht allzu streng ins Gericht? Und dabei: Wie großartig hat doch der Heilige Geist in den letzten Jahrzehnten durch die Cursillos gewirkt!
Was habe ich doch in den vielen Jahren, die ich nun bei dieser Bewegung mitarbeite, nicht alles an Wundern erlebt: Da besinnen sich erwachsene Männer und Frauen, die Jahrzehnte Kirchen nur von außen gesehen haben, und fangen neu mit Jesus Christus an. Da treten solche, die Gott den Rücken zugekehrt hatten, wieder in die Kirche ein. Da werden Erwachsene getauft, entdecken Getaufte, was sie bisher versäumt hatten...
Wann immer ich Alarmmeldungen über den Verfall der Kirche in unseren Tagen höre, denke ich an das, was heute innerhalb der Erneuerungsbewegungen, zu denen auch Cursillo zählt, geschieht (und nicht nur dort). Dann bin ich wieder zuversichtlich.
In den Cursillos wird das Wort Gottes in zeitgemäßer Weise verkündet und auch angenommen. Aber warum sieht man dann nicht mehr von den Früchten, wenn doch schon so viele Tausende in Österreich neu angefangen haben, mag mancher fragen. Und darauf kann nur mit dem Gleichnis vom Sämann geantwortet werden. Einiges von der Saat fällt auf felsigen Boden, einiges unter die Dornen, aber auch einiges in fruchtbares Erdreich. Das ist einfach Teil der Wahrheit über uns Menschen und nicht eine Schwäche der Erneuerungsbewegung, die man ihr zum Vorwurf machen sollte.
Cursillo teilt das Schicksal jeder Mission. Und als solche ist er zu verstehen. Wer an einem solchen Kurs teilgenommen hat, tritt damit nämlich keiner Organisation bei, etwa einer neuen Gruppierung innerhalb der Kirche. Er wird aber zum Gesandten, mit dem Verlangen und der Ermutigung, sich in seinem Milieu in den Dienst des Herrn zu stellen.
Wie schön wäre es, wenn sich mehr Pfarrer dieser Chance bewußt wären — und sie auch nutzten.
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