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Hoflnung muß noch wachsen

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Stucfientagung der katholischen Familienorganisa- tion in Salzburg zum Thema „Familie - Zeichen der Hoffnung“: Treffende Analysen, viel Gescheites, aber von Hoffnung war wenig zu spüren.

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Stucfientagung der katholischen Familienorganisa- tion in Salzburg zum Thema „Familie - Zeichen der Hoffnung“: Treffende Analysen, viel Gescheites, aber von Hoffnung war wenig zu spüren.

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Trotz vieler Auflösungserscheinungen bei Ehe und Familie ist für 89 Prozent der Österreicher ein glückliches Familienleben nach wie vor zentrales Lebensziel. Auf dieses Ergebnis von Befragungen wies der Passauer Pastoraltheologe Paul Zulehner in seinem Einleitungsreferat hin. Denn mit Familie verbindet der Mensch die Möglichkeit, „die unausrottbaren Urwünsche menschlichen Lebens“ zu befriedigen: Als Einmaliger angenommen zu werden, Freiraum für persönliche Entfaltung zu haben und an einerp Ort verwurzelt, beheimatet zu sein.

Ein „versöhnter Alltag, aus dem Feste h^rauswachsen“, die solche Erfahrungen vermitteln, sei das realistische Ziel einer erfüllten Ehe. Es ließe sich heute allerdings im Zeitalter des Pluralismus und der individuellen Freiheit schwerer als in der strikt reglementierten Vergangenheit realisieren. Wohl sei damals vieles nur Scheinfrieden und stabile Fassade gewesen. Heute werde Ehe aber zum schwierigen Unternehmen, das weitgehend von der Kommunikationsfähigkeit der Partner abhängt. Viele seien da überfordert und scheitern.

Was könne da die Kirche tun? Ehen und Liebesgeschichten begleiten, die Fähigkeit der Partner, aufeinander zugehen, stärken, das Entstehen von Strukturen begünstigen, die die Isolation der Familie nach außen und die der Mitglieder untereinander verringern helfen.

So zutreffend die Analyse dem Inhalt nach gewesen sein mag, so wenig war sie im Hinblick auf das Thema Hoffnung geeignet: rhetorisch sehr gut, aber zu intellektuell, zu analytisch. Da waren zu viele Gags, kleine Seitenhiebe, die zwar manchen zum Lächeln an-

regten, aber nicht aufbauten, zu viele nur oberflächlich angedeu- tete und nicht ausgeführte Gedanken, genug, um zu verunsichern, zu wenig, um weiterzudenken.

Da wurde etwa von der Relativierung der Ehe im Hinblick auf die Gemeindezugehörigkeit in der christlichen Urgemeinde gesprochen und angedeutet, dies könnte ein fruchtbringender theologischer Ansatz für unsere Zeit sein. So etwas müßte man ausführen, aufarbeiten oder gar nicht erwähnen. Nur als Brocken hinwerfen, ist in einer Zeit, da Ehe ohnedies so relativiert ist, zu wenig.

So war die Reaktion gespalten. Wer sich mehr für Information interessiert hatte, war intellektuell angetan, wer mehr auf den Stimmungshintergrund ansprach, war enttäuscht. Die viel zu kurze Diskussion reichte nicht zur Aufarbeitung, vertiefte höchstens das Unbehagen.

Im Nachmittagsreferat war Hoffnung das zentrale Thema. Der Sekretär des Päpstlichen Rates für die Familien, Bischof Francisco Cox Huneeus, sprach zum Thema: „Kirche, Hoffnung der Familie — Familie, Hoffnung der Kirche“.

In der wachsenden Verwirrung unserer Tage habe die Kirche ein faszinierendes Leitbild für die Familie anzubieten. Es habe seine tiefsten Wurzeln im Wesen Got tes, der keine „Einsamkeit, sondern eine Familie“ ist. Dieses Ideal solle keine bestimmte soziologische Erscheinungsform der Familie zementieren, sondern gültige Werte klar herausstellen: Einheit, Treue, Unauflöslichkeit, Ehe als Grundlage der Familie, tiefe Beziehung zu Christus …

Weil Gott uns als Vater vorgestellt wird, gelte es vor allem die Rolle des Vaters neu zu überdenken. Denn wir lebten in einer weitgehenden vaterlos geworde nen Gesellschaft. Barmherzigkeit, Schutz, Beständigkeit, Autorität und Leitung seien Werte, die an den Vätern erlebt werden müssen.

Was die Rolle der Frau anbelangt, betont der Bischof die Schwierigkeit, das Gleichgewicht zwischen ihrer Funktion als Gefährtin und Mitarbeiterin des Mannes und ihrer Aufgabe als Mutter aufrechtzuerhalten. Vor allem aber gälte es, die Welt ein mal aus der Warte des Kindes zu sehen: „Wie schwer ist es doch heute, Kind zu sein!“ stellt Bischof Cox fest.

Hoffnung wachse dort, wo Glaube wieder den ganzen Menschen erfaßt — nicht nur seinen Intellekt — und wo es zu einer ganz persönlichen Beziehung zwischen dem einzelnen und dem persönlichen Gott kommt. „Die Familie ist der privilegierte Ort, um diese persönliche Begegnung mit Gott zu erfahren.“

Vieles an den Ausführungen des Bischofs hat mir gut gefallen. Nur war es wieder die übliche Rollenverteilung: Der Geistliche zeichnet das Leitbild der Familie — und er macht es gut. Diese Verkündigung erlangt jedoch nicht die erwünschte Dynamik, strahlt nicht genug Hoffnung aus, weil das Zeugnis des praktischen Lebens fehlt.

Es hätte ein Vater, eine Mutter aus ihrer Erfahrung bezeugen müssen, daß es heute möglich ist, das christliche Leitbild im Alltag zu verwirklichen — auch in einer Zeit, in der so viele Ehen scheitern, so viele Familien zerfallen. Denn Hoffnung wächst dort, wo erfahrbar wird, daß Leben aus dem Glauben nicht blutleere Theorie, sondern hoffnungsvolle Praxis sein kann, wo zwar nicht alles problemlos abläuft, wo aber immer wieder ein neuer Anfang möglich ist. Es waren ja genug Leute da, die sich seit Jahren für die Anliegen der Familie engagieren. Sie hätten sicher etwas zu sagen gehabt.

Wahrscheinlich ist Hoffnung kein Thema für eine Studientagung, denn Hoffnung kann offensichtlich nicht studiert, sie muß erfahren und gelebt werden — und das ist diesmal in Salzburg nicht geschehen. Dabei wäre es so wichtig, daß die für die Kirche Tätigen Träger der Hoffnung sind.

Die Salzburger Studientagung 1983 fand am 28. und 29. Marz im Bildungshaus St. Virgil statt.

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