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Honey-Moon

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Im September bricht in der Bundesrepublik der Honey- Moon aus: Erich Honecker, der Staatsrats-Vorsitzende der DDR, kommt mit dem Udo-Lindenberg-S anderzug aus Pankow auf Besuch. Dieses Ereignis ist für die Österreicher aus mindestens zweierlei Gründen von Interesse.

Erstens sieht man daran, wie lange es dauern kann, bis ein Staatschef, der als Gast nicht willkommen ist, schließlich doch mit allen Ehren und großer Begeisterung empfangen wird; man muß nur Geduld haben. Vor 20 Jahren wäre Honecker bei uns garantiert sofort als Hochverräter eingesperrt worden.

Zweitens könntet Ihr Österreicher Euch über den Charakter der Deutschen wieder einmal Gedanken machen und dabei Euer Selbstbewußtsein aufbauen.

Vor 30 Jahren, als ich noch Student war, hieß das Land, aus dem Honecker kommt, bei uns noch „sowjetisch besetzte Zone“, und wer einfach DDR zur ,fZone“ sagte, galt bereits als stark kommunistisch unterminiert.

Vor rund 15 Jahren begannen Bundeskanzler Willy Brandt und Egon Bahr mit der Ostpolitik. Bei dieser Gelegenheit nahmen sie auch den zweiten deutschen Staat als Ergebnis des verlorenen Krieges wenigstens zur Kenntnis, weil man die Realität der DDR auch mit den schönsten Sonntagsreden zur Wiedervereinigung nicht mehr weg wischen konnte. Da wurden sie von CDU und CSU nur noch per „Vaterlandsverräter“ gehandelt.

Franz Josef Strauß hat immer gewußt, wie wichtig die Ostpolitik ist. Als das Gefährlichste an ihr hat er sofort richtig erkannt, daß sie im Falle des Erfolges die Herrschaft der Sozialdemokraten stabilisieren könnte. Darum hat er sich selbst nach der ohne ihn vollzogenen Wende in Bonn sofort an die Spitze der Bewegung gesetzt und der DDR Milliardenkredite zugeschanzt, daß Linken wie Rechten nur noch so die geblendeten Augen tropften.

Wenn Honecker von Moskau aus grünes Licht gehabt hätte, er wäre der rechtsliberalen Koalition schon längst willkommen gewesen. Auch wenn Kohl zwischendurch mal wieder von Konzentrationslagern in der DDR schwadronierte. Weil er nicht kam, sind in den letzten Jahren die schwarzen Landesfürsten geradezu in Prozessionsordnungen nach Leipzig gepilgert, um einen deutsch-deutschen Händedruck vom Freund Erich zu erhaschen. Jetzt spielt zum Honecker-Besuch unsere Bundeswehr die „Spalter- Hymne“, und in Bonn weht die „Spalter-Flagge“, derentwegen Bonns Botschafter über ein Jahrzehnt die ganze Welt nerven mußten. Und Helmut Kohl steht dazu stramm.

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