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Hua und Teng ringen um das Amt des Staatspräsidenten

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In den nächsten Wochen wird in Peking der 5. Nationale Volkskongreß zusammentreten. Im Laufe des letzten halben Jahres wurden im ganzen Riesenland Delegierte gewählt und Grundsatzdiskussionen auf unterster Ebene durchgeführt. Daß der Kongreß, der in der Volksrepublik die Funktion eines Parlaments ausübt, endlich zusammentritt, ist ein Zeichen dafür, daß die neue Führung in Peking ihre Stellung konsolidiert hat, wenn auch noch nicht alle Spannungen in den höchsten Gremien überwunden sind.

Wie weit die Säuberung der Anhänger der „Viererbande“ reichte, ist trotz gelegentlicher Meldungen über Hinrichtungen und Selbstmorde nicht auszumachen. Im Politbüro sitzen immer noch Wu Teh, der Bürgermeister von Peking und Tschen Hsi-lien, der Kommandant der Pekinger Garnison, die sich deutlich als Feinde Teng Hsiao-pings profiliert hatten, und schließlich war Hua Kuo-feng selbst in dessen zweiten Sturz verwickelt. Sie vermochten Tengs Rehabüitierung monatelang zu blockieren. Selbst nach seiner Rückkehr in die früheren Spitzenpositionen gelang es ihm nicht, seinen Beschützer in der Wüste, den Kommandanten der Kanton-Militärregion, Hsü Shih-yü, als Verteidigungsminister einzusetzen.

In Peking übt die wirkliche Macht immer noch eine Koalition von Generälen aus dem Nordenaus. Deshalb ist es bedeutungsvoll, daß in den letzten Wochen in Wandzeitungen gerade der Verteidigungsminister Yeh Tschien-ying und Tschen Hsi-lien angegriffen wurden. Im Sommer tauchte außerdem in Hongkong ein Dokument auf, das bitterste Vorwürfe gegen Hua Kuo-feng enthält und in dem dessen steiler Aufstieg auf die Protektion Kang Shengs zurückgeführt wird. Diese zweilichtige Gestalt, die in Moskau zum Meisterspion ausgebüdet worden war, gut heute in China als trotzkistischer Verräter. In dem gleichen Dokument wird Kang Sheng als Hauptverantwortlicher für die erfolgreiche Karriere der Viererbande ange--führt.

Vor diesem Hintergrund muß man die derzeitige Diskussion sehen, ob auf dem Kongreß durch Verfassungsrevision die Stellung eines Staatspräsidenten wieder eingeführt werden und wer dieses Amt versehen solL Das Amt war 1975 auf Wunsch Maos abgeschafft worden. Sein letzter Inhaber, Liu Shao-chi, wurde 1966 abgesetzt

Mao selbst hatte 1949 bei der Gründung der Volksrepublik dieses Amt zugleich mit der Parteiführung übernommen, mußte aber 1958 davon zurücktreten, als seine erste radikale Kampagne, der „Große Sprung Vorwärts“, in einer wirtschaftlichen Katastrophe endete. Sein Nachfolger Liu erwies sich als tüchtiger Technokrat, der mit seinen Erfolgen in der Modernisierung der Industrie und seiner Popularität Mao bald über den Kopf zu wachsen drohte. Bevor Liu wußte, was um ihn herum geschah, hatte Mao sich mit dem Verteidigungsminister Lin Piao verbündet und die Kulturrevolution entfesselt, die nicht nur Liu wegfegte, sondern auch seine Technokraten und ihre Entwicklungspläne der romantischen Revolutionsideologie opferte.

Mit Teng Hsiao-ping sind die überlebenden Technokraten Lius wieder in ihre alten Positionen zurückgekehrt und nehmen die alten Pläne wieder auf. Daher wäre es eine logische Folgerung, daß Teng als Erbe Lius das Staatspräsidium übernehmen sollte.

Wahrscheinlich würde Teng als Staatspräsident seine alten Waffenkameraden um sich scharen: den Wirt-schaftszar Li Hsien-nien als Premier, Hsü Shih-yü als Verteidigungsminister. Um diese mögliche Machtkonzentration, in der die Partei kaum eine große Rolle spielen könnte, zu verhindern, wird Hua Kou-feng möglicherweise selbst wie Mao das Staats- mit dem Parteipräsidium verbinden

Der Kongreß wird natürlich auch andere Fragen der Wirtschafts- und Außenpolitik behandeln, die Entscheidung über das Amt des Staatspräsidenten wird jedoch die klarsten Hinweise auf die aktuellen Machtverhältnisse in Peking geben.

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