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Human durch Ärzte

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Der Zufall war wieder einmal ein guter Regisseur. Fast gleichzeitig mit der Veröffentlichung des AKH-Berichts des Kontrollamtes der Stadt Wien bat die „Baukommission Neubau AKH der Medizinischen Fakultät der Universität Wien“ Journalisten zu einem Gespräch - ohne Absicht, „unmittelbar eine Veröffentlichung in Ihrem Medium zu erreichen“, wie es in der Einladung etwas blauäugig hieß.

Die Zusammenkunft war schon länger geplant. Die Ärzte wollten verhindern, daß das neue AKH in den Augen der Patienten allzusehr mit dem belastet wird, was sich während des Baues zugetragen hat.

Durch den Bericht des Kontrollamtes gerieten die Medizinier aber unversehens in die Lage, sich verteidigen zu müssen und zwar gegen den Vorwurf, ihrerseits kräftig zur Baukostenexplosion beigetragen zu haben.

Jeder Klinikchef will ein Stückerl mehr, bis am Ende der ganze Bau aus den Nähten platzt: Kontrollamtschef Fritz Delabro hatte am Abend vorher im Fernsehen diese seine Sicht der Dinge mit plastischen Handbewegungen untermalt.

Die Professoren Erwin Deutsch (Innere Medizin), Karl Steinbereithner (Anästhesie und allgemeine Intensivmedizin) und Rudolf Höfer (Isotopen- medizin) legen demgegenüber großen Wert auf die Feststellung, daß die Fakultät erst 1976 in die AKH-Planung einbezogen wurde.

Reichlich spät wurde aus einem für die Ärzte ein mit den Ärzten errichtetes Spital. Sie beschränkten sich darauf, eklatante Planungsfehler aufzuzeigen.

Räume, in die Patienten mit ihren Betten gebracht werden müssen, sollten Türen bekommen, die dafür zu schmal gewesen wären. Die Planer hatten Gänge gezeichnet, in denen Krankentransporte nur dann aneinander vorbeigekommen wären, wenn aus keinem der Betten etwa ein geschientes Bein herausgestanden wäre. Und so weiter.

Die nachträgliche Beseitigung solcher Mängel, meinen die Professoren, hätte mehr gekostet als die Korrektur der Pläne. Sie weisen auch den Hinweis des Kontrollamtschefs auf überzogene

Wünsche oder gar Prestigebedürfnisse von Klinikvorständen energisch zurück. Ein Zimmer, in das sich Schwestern zurückziehen können, sei heute zum Beispiel eine soziale Notwendigkeit.

Einschneidende Änderungen gab’ es im Operationsbereich. Wo AKH-Pla- ner Professor Hans Ulrich Riethmüller einst 48 Operationssäle vorgesehen hatte, finden heute deshalb nur 32 Platz, weil etwa Anästhesie- und Aufwachzimmer in der Zwischenzeit zur Selbstverständlichkeit wurden.

Die AKH-Baukostenexplosion kann den Ärzten, so die Professoren, aus einem ganz einfachen Grund nicht in die Schuhe geschoben werden: Der 1971 ohne die Professoren fixierte Raumbedarf von 167.000 Quadratmeter wurde bis 1976 ohne die Professoren um 9,58 Prozent, seither unter Mitwirkung der Professoren aber nur noch um weitere 5,46 Prozent ausgeweitet, und über die medizinisch-apparative Ausstattung wurde ja bisher überhaupt nicht gesprochen.

Die Ärzte halten das AKH weder für zu groß noch für inhuman. Es sei die bedeutendste Ausbildungsstätte für österreichische Ärzte. Während an deutschen Universitäten pro Semester höchstens 200 bis 250 Studenten mit dem Medizinstudium beginnen, sind es in Wien 1.700!

Außerdem spielen bei uns bei der medizinischen Betreuung Spitalsambulatorien eine ungleich größere Rolle. Auch das schlage sich in einem erhöhten Raumbedarf nieder.

Mit dem Zentralbau-Konzept seien sie, die Professoren, selbst nicht glücklich gewesen, aber es habe auch seine Vorteile. Die höchstens zu dritt in einem Zimmer liegenden Patienten würden einen Ausblick über ganz Wien genießen, sie würden erstmals Aufenthaltsräume bekommen, vor allem aber, so die Fakultätsmitglieder, hänge es nicht vom Bauwerk ab, ob ein Spital ein menschliches Spital sei, sondern von den Ärzten und vom Kontakt zwischen Arzt und Patient, ln dieser Beziehung aber möge man sich ruhig auf sie verlassen.

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