Mantra für moderne Zeiten
Ein "Gut genug" und "Es ist okay" gegen den unheilsamen Verbesserungswahn.
Ein "Gut genug" und "Es ist okay" gegen den unheilsamen Verbesserungswahn.
Vor zwei Wochen war an dieser Stelle von einer perfiden Ideologie die Rede, die sich wie ein heimtückischer Virus ausgebreitet hat: die Selbstoptimierung. Gemeint ist nicht das berechtigte Anliegen, die körperlichen und geistigen Fähigkeiten auf natürlichem Weg zu steigern, sondern ein alles durchdringender Leistungsdruck und Verbesserungswahn, der mittlerweile selbst die intimen Bereiche des Privatlebens infiltriert hat.
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Schöner, schlanker, schlauer: Diese Ideologie hat sich heute auch in den modernen Formen der Partnersuche breit gemacht, wo es darum geht, den „bestmöglichen“ Partner wie in einem Bewerbungsverfahren zu ergattern – und das möglichst schnell und effizient (siehe auch S. 2–4). Die Auswüchse dieses kulturellen Trends sind menschenverachtend, führen zur individuellen Überforderung, machen unglücklich und manchmal sogar krank. Bleibt eine große Frage: Wo ist das Gegengift zu finden?
Ein Mantra ist in der östlichen Spiritualität eine Silbe, ein Wort oder Vers, die rezitiert werden, damit sie als Klangkörper bestimmte Kräfte entfalten. Etymologisch lässt sich der Sanskrit-Begriff als „Geistesschutz“ interpretieren: Die Wiederholung dieser Silben soll den menschlichen Geist davor schützen, schädlichen Vorstellungen auf den Leim zu gehen. Ein Mantra gegen unheilsamen Optimierungsdruck ist jedenfalls rasch gefunden: Es lautet schlicht „gut genug“ oder „es ist okay“ (österreichische Variante: „passt eh“). Wer sich dieses Mantra in Erinnerung ruft, wenn man dazu neigt, ein Opfer nagenden Ungenügens zu werden, geht zufriedener durch das Leben. Die Entdeckung von Genügsamkeit ist also gefragt, um dem säuselnden Sirenengesang der Selbstoptimierung zu widerstehen. Sie findet sich in spirituellen, humanistischen und therapeutischen Traditionen, die gegen den Strom des materiellen Steigerungsdenkens ausgerichtet sind.
Oft genügt schon eine neue Perspektive, um den hohlen Charakter zeitgenössischer Ideologien zu durchschauen. Am Wiener AKH hat Alexander Batthyany unlängst über Glück- und Sinnsuche referiert und dabei auch Einsichten aus Gesprächen mit Sterbenden miteinbezogen. Denn aus der Weisheit derer, die ihr Ende im Blick haben, lassen sich wichtige Lektionen destillieren. „Je mehr sich das Leben dem Ende zuneigt, desto eher erhalten existenzielle Fragen Gewicht“, so der Leiter des Viktor Frankl Instituts Wien, der Erfahrungen in einem Moskauer Hospiz gesammelt hat. Die egozentrische Sicht verliert an Anziehungskraft. Die Idee der Selbstoptimierung sei ebenso fatal wie jene der Selbstverwirklichung, sagt Batthyany. Letztlich gehe es nur um jene Dinge, die es wert sind, verwirklicht zu werden. „Was nicht gewesen wäre ohne mich, das zeugt von mir“, lautet eine Lektion der Sterbenden: Am Ende zählt nicht, was wir erreicht, sondern was wir ausgestrahlt haben.
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