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„Kollektives Handeln ist eine gute Behandlung für ein kollektives Problem.“ Das sagte Caroline Hickman, britische Psychotherapeutin, Ende 2019. Ein knapper Satz, mitten ins Mark des neuen Jahres: Er bezieht sich auf ein globales Problem, das sich ausgebreitet hat, noch bevor es überhaupt ein Wort dafür gab. Heute sind die Symptome unübersehbar: Psychologische Studien von Grönland bis Australien zeigen, dass immer mehr Menschen von einer latenten Zukunftsangst geplagt werden. Sie berichten von Stress, Schwermut und nagenden Sorgen, die sich vor allem um Kinder und Enkelkinder drehen. Übrigens auch in Österreich, wie Psychotherapeut Paolo Raile zu berichten weiß, der an der SFU Wien zur „Öko-Angst“ forscht. 2017 hat die US- Psychologenvereinigung den Begriff als „chronische Furcht vor dem ökologischen Untergang“ definiert. Das war damals noch recht exotisch. Doch im letzten Jahr haben Naturkatastrophen, Hitzewellen und nicht zuletzt die weltweiten Klimaproteste dafür gesorgt, dass das Phänomen auch in den westlichen Gesellschaften angekommen ist. Der „Klimanotstand“ (ein Begriff, der wissenschaftlich gesehen bereits seine volle Berechtigung hat) schlägt sich allmählich auf das globale Gemüt.

2019 ist die ‚Öko-Angst‘ auch in den westlichen Gesellschaften voll angekommen: Die Klimakrise schlägt sich auf das globale Gemüt.

„Öko-Angst“ hat freilich nichts mit einer klinischen Angststörung zu tun, wie Experten betonen. Im Gegenteil, es handelt sich um eine völlig gesunde Reaktion auf eine Krise im planetaren Ausmaß (Bei vorbelasteten Personen allerdings können Klimaängste psychische Störungen hervorbringen oder verschlimmern). „ÖkoAngst“ kann sehr konkret sein, etwa wenn sich die Einwohner der Malediven seriöse Prognosen vor Augen halten, wonach ihre Inseln bis 2100 zur Gänze im Meer versunken sein könnten.

In den Ländern der nördlichen Hemisphäre hingegen bleibt die Angst oft diffus. Doch die Vorstellung einer ungewissen Bedrohung ist nicht minder belastend. Angesichts mangelnder Initiative der Regierungen fühlen sich viele Menschen machtlos und ausgeliefert. Mit Kontrollverlust und Ohnmacht zurande zu kommen, zählt zu den größten mentalen Herausforderungen. Diese Gefühle sind ein Nährboden für apokalyptische Fantasien, können aber auch zu Ignoranz und Realitätsverweigerung führen. Beide Extreme gilt es zu vermeiden, wie Caroline Hickman verdeutlichen wollte. Psychologen empfehlen, die schwierigen Gefühle mitzuteilen und sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Änderungen im Lebensstil gelten ebenso als hilfreich. Die Behandlung der „Öko-Angst“ erfolgt also nicht (nur) auf der therapeutischen Couch, sondern vielmehr im Alltag – oder auch auf der Straße des Aktivismus, der hier zu Recht politisches Handeln einzufordern versucht. Wer diese Angst besiegen will, muss schließlich um das Mittel gegen die Ohnmacht kämpfen: Selbstwirksamkeit.

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