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Humor mit Moral

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„Halb ein Bürgerschreck und halb ein erschrockener Bürger“, so charakterisiert Robert Neumann den Autor Erich Kästner. Sein weltweiter Erfolg als Kinderbuchautor täuscht nicht mehr darüber hinweg, daß es ihm nicht gegeben war, seine Zeit ins Zeitlose zu transformieren — unerläßliche Voraussetzung dafür, daß ein literarisches Werk losgelöst von der Epoche Eigenleben besitzt.

Kokett-melancholisch, kessklug und zuweilen schnoddrigsentimental simuliert Erich Kästner in den zwanziger und dreißiger Jahren in einer virtuosen kabarettistischen Parallelaktion zu Oswald Spengler den Untergang des Abendlandes so lange, bis er, von ihm eingeholt, zusehen muß, wie 1933 seine Bücher verbrannt werden.

In dem gut bebilderten und mit Dokumenten der Rezeptionsund Zeitgeschichte bereicherten Querschnitt durch Kästners Schaffen wird deutlich, inwiefern der von Neumann angedeutete Zwiespalt von „Furcht haben“ und „Fürchten machen“ sich als Epochenmerkmal herausstellt. In solcher konflikthafter Spannung entzündet sich Kästners Witz, ihr entspringt aber auch der Ernst des Moralisten: „Es gibt nicht Gutes außer: Man tut es.“ Kästner hat es getan, in seinen Kinderbüchern und in seiner Lebenshaltung 1933 bis 1945.

Die weiße Weste, die er sich dabei bewahrt hat — er wurde zum ersten Präsidenten des Bundesdeutschen PEN gewählt — hat er aber weder als Parteiuniform, noch als Reliquie benutzt. Er zog sie aus und arbeitete in der Trümmerwelt weiter, denn ein Moralist hat immer Saison.

DAS KÄSTNER BUCH. Herausgegeben von Sylvia List, mit einem Geleitwort von Hermann Kesten. Piper-Verlag, München 1986. 539 Seiten, 137 Abbildungen und Faksimiles, TB., öS 154,50.

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