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Hunger ist kein Problem von gestern

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Hunger ist eine Tragödie, die alle angeht. Es gibt für alle genug Nahrung auf der Welt, aber sie ist schlecht verteilt.

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Hunger ist eine Tragödie, die alle angeht. Es gibt für alle genug Nahrung auf der Welt, aber sie ist schlecht verteilt.

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Viele sind der Meinung, daß es in unserer Zeit die Lösung aller Probleme gebe. Man sagt, daß sich Hunger nur durch das Versagen der wenig entwickelten Menschen ergebe. Hunger sei ein Faktum der Unfähigkeit in einigen Teilen der Welt. Hunger hat es gestern gegeben und muß es heute nicht geben. Man wirft den Menschen vor: Arbeitet mehr, und ihr werdet zu essen haben! Führt keine Kriege und es geht euch besser! Diese und ähnliche Hinweise hört und liest man. Die Menschen der reichen Welt wollen eben das Problem Hunger „abschieben". Was kann man dazu sagen?

Hunger gab es zu allen Zeiten!

Durch Naturkatastrophen und Dürre entstanden und entstehen immer wieder die Situationen, daß die Menschen bestimmter Zonen für das Leben zu wenig produzieren können. In dieser Lage ist die Hilfe von auswärts notwendig. Es ist nicht Schuld der Menschen dieser Gebiete. Sie sind bedauernswert und können selbst nicht vollständig die Lage ändern. Diese Hungerlagen kennen wir aus Berichten des Alten Testamentes, aus Texten der Geschichte und aus der heutigen Lage mancher Teile der Erde.

Die Antwort kann nur sein: intensiv und schnell zu helfen durch Organisationen wie Caritas, Rotes Kreuz, Entwicklungshilfeaktionen vielfältiger Art. Das wird heute immer wieder getan!

Man darf nicht übersehen, daß es in allen jenen Ländern, in denen es Krieg, Bürgerkrieg, Stammeskämpfe, Parteikämpfe gibt, den Hunger für die

Zivilbevölkerung gibt; die Soldaten rauben sich das Notwendige, aber alte Menschen, Frauen und Kinder leiden. Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Gesellschaft, alles gegen den Krieg zu tun. Wer Waffen liefert, hilft mit, daß es den Krieg gibt und er fördert den Krieg. Alle Produktionen von Waffen müssen genau kontrolliert werden, damit sie nicht zur Grundlage des Krieges und damit zur Förderung der Geißel des Hungers werden. In Afrika sehen wir den Sudan, Äthiopien, Somalia, Angola, Mocambique, Liberia, in Asien die vielen Leidenden der Kurden, im Irak und Iran, in Afghanistan und Pakistan. In Lateinamerika ist der Hunger ausgelöst durch Diktaturen, die gewaltsam die Armen unterdrücken. Krieg ist eine furchtbare Geißel, die den Hunger produziert.

Die einen haben zu viel, und die anderen haben zu wenig. Die Reichen wollen nicht teilen, und die Armen hungern, weil die Reichen und die reichen Völker das Überflüssige wegwerfen. In vielen Ländern der Erde liegen hungernde Menschen auf der Straße, aber auch bei uns sitzen sie oft am Straßenrand und betteln, weil sie wirklich Hunger haben.

Es geht uns heute um eine Erkenntnis, daß die Strukturen geändert werden müssen, um in einer gerechten Lebensform die Wege des gerechten Verteilens zu finden. Es geht nicht nur um ein Versorgen der Armen und Hungernden, sondern vor allem um eine neue Ordnung, durch die alle Menschen zum Recht kommen, ein menschenwürdiges Leben gestalten zu können. Hunger kann durch eine gerechte Ordnung weithin verringert und teilweise auch voll überwunden werden. Der Mensch muß gebildet werden, die Natur in den Griff zu bekommen. So werden in Zukunft zur Überwindung des Hungers gerade die Einrichtungen der Bildung und Ausbildung im ländlichen und bäuerlichen Sektor besondere Bedeutung haben. Damit verbunden ist natürlich die Frage der gerechten Preise der landwirtschaftlichen Produkte, da viele abwandern, weil es für sie auf dem Lande zu wenig zu erwerben gibt. Die Bildung aber kann den Menschen auf dem Lande befähigen ganz neue Wege zu gehen, um sowohl in der Produktion als auch im Absatz beitragen zu können, den Hunger zu überwinden.

Hunger gibt es heute, und wir haben uns mit dieser Tatsache dringend auseinander zu setzen, weil es um Menschen geht, die im Extrem leben, an der Scheide zwischen Leben und Tod, die leiden und seufzen, die wie ein armer Lazarus unter dem Tisch der Reichen dieser Welt sich vor dem Sterben an die Reichen und Besitzenden wenden. Von ihnen und unserer Hilfsbereitschaft sagt Jesus: Selig ihr, denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben!

Der Autor ist seit kurzem ständiger Vertreter des Heiligen Stuhls bei vier in Rom ansässigen inter-nationalenOrganisationen: Welt-ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), Internationaler Fonds für agrarische Entwicklung (IFAD), Welternährungsprogramm (PAM-WFP), Welternährungsrat (CAM-WFC).

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