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Ich bin für Bleiburg-Pliberk

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Ich habe leider recht behalten. Als Kärntner Freunde hofften, nach der Sprachenzählung sei der Dampf abgelassen, denn es hätte ja jeder recht behalten - die Deutschen mit der Behauptung, die slowenischen Zahlen seien falsch, und die Slowenen mit ihrem Boykott da war ich skeptisch. Ich hätte gerne unrecht behalten, ich hätte mich gerne eines Besseren belehren lassen.

Natürlich ist es jetzt leicht, die neue Unruhe den paar Hitzköpfen zuzuschieben, die jedes Wochenende woanders eine illegale zweisprachige Ortstafel aufstellen und so sichtlich an der Provokation interessiert sind: jenen Radikalen die es darauf abstellen, mit der Gendarmerie ins Handgemenge zu kommen, um einen „Beweis“ für die Behauptung vom „Polizeistaat Österreich“ zu höben. Aber - Hand aufs Herz - sind die paar Ortstafeln, die seit dem 1. Juli stehen, wirklich schon alles, was die Verordnung versprochen hat? Sind sie alles, was der Geist des Volksgruppengesetzes zu bieten hat?

Wie war es denn in Blei bürg? Als wir uns vor zweieinhalb Jahren im Rat- haus von den Stadtvätem über die Lage im Ort informieren ließen, da er klärte der ÖVP-Fraktionsführer im Gemeinderat, wer hier nicht deutsches und slowenisches Blut in den Adern habe, sei von Norden oder von Süden zugewandert, „reine“ Deutsche oder „reine“ Slowenen gebe es hier nicht. Aber wo gibt es die überhaupt?

Wie waren denn damals die Ergebnisse in Bleiburg, die man - unbeeinflußt noch von der politischen Propaganda aller Seiten - kurz vorher im eigenen Wirkungsbereich erhoben hatte? War es nicht so, daß rund zwei Drittel der Bewohner des Ortes Slowenisch verstand, daß ein gutes Drittel es auch zu Hause sprach - wohl kaum in der Schriftsprache von Laibach, aber doch im heimisch-slawischen Idiom - und daß die Stimmen für die örtliche Slowenenliste doch so zahlreich waren, um für einen Sitz im Gemeinderat zu reichen. Sollte die amtliche Sprachenzählung vom November andere Ergebnisse erbracht haben, halte ich doch eher diese für verzerrt.

Dasistdochsoim Grenzgebiet - und das macht alle „Erhebungen“ illusorisch. Der Gebrauch der Sprache hängt weit mehr vom jeweiligen Gesprächspartner, ja vom Gesprächsthema ab, als vom Bekenntnis „hie deutsch - hie slowenisch“. Das ändert gar nichts an der Tatsache, daß hier seit je mehr deutsch als slowenisch gesprochen wurde - aber ebensowenig daran, daß eben immer beide Sprachen lebendig waren. Warum also solche Quantifizierungen?

Sicherlich - auch die Ortsväter von Bleiburg mußten zugeben, daß es mit dem Gebrauch des Slowenischen im Gemeinderat schlecht bestellt war, obwohl doch so ziemlich eille es verstehen. Und daß es nicht möglich scheint, beim jährlichen Volksfest zweisprachige Plakate anzuschlagen, obwohl jedesmal Hunderte von zahlenden Gästen von jenseits der Grenze herüberkommen.

„In Bleiburg gibt es gar keine Minderheit, die ins Gewicht fällt,“ schrieb dieser Tage mein alter Kollege Ober- leitner in der „Presse“. Schade, daß er damals nicht dabei war. Welche Minderheiten „fallen denn ins Gewicht“? Wieso überhaupt „Minderheit“? Nur um zu quantifizieren? Die slowenischsprechenden Kärntner sind ebensolange im Land nördlich der Karawanken ansässig wie ihre (nur) deutschsprachigen Landsleute. Natürlich gibt es Hitzköpfe auf beiden Seiten, solche, die von einem Großslowenien bis zu den Ufern des Wörthersees träumen, und solche, die sich als Urgermanen gebärden, um ihre slawische Großmutter zu verleugnen. Die große Mehrheit jener Menschen aber will die Polarisierung nicht. Sie wollen zweisprachige Kärntner sein, weder „Deutsche“, noch „Slowenen“. Das sollten auch jene anerkennen, die nur eine der beiden Nachbarsprachen sprechen wollen. Im Interesse des friedlichen Zusammenlebens mit dem Mitmenschen. Gerade deswegen bin ich für „Bleiburg-Pliberk“.

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