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,,...ich gehöre zu Ihren ersten Bewunderern“

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Viel Überraschendes enthält der zweite Band aus den nachgelassenen Schriften von Friedrich Torberg, der unter dem Titel „In diesem Sinne ...” im Langen-Müller Verlag, München. erscheinen wird. Er enthält Briefe an und von u.a. Thomas Mann, Franz Werfel und Carl Zuckmayer. Die hier leicht gekürzt abgedruckten Briefe halten den- literarhistorischen Augenblick fest, indem Torberg seinen Dienst am Werk Herzmanovsky-Orlandos begann.

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Viel Überraschendes enthält der zweite Band aus den nachgelassenen Schriften von Friedrich Torberg, der unter dem Titel „In diesem Sinne ...” im Langen-Müller Verlag, München. erscheinen wird. Er enthält Briefe an und von u.a. Thomas Mann, Franz Werfel und Carl Zuckmayer. Die hier leicht gekürzt abgedruckten Briefe halten den- literarhistorischen Augenblick fest, indem Torberg seinen Dienst am Werk Herzmanovsky-Orlandos begann.

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Merano (Italien) Via Miramonti 20

23. XI. 35

Sehr geehrter Herr Torberg!

Mein Freund Fritz Thorn war so lieb, mir Ihre Anschrift zu geben und er war es, der mir erzählte, daß Sie Spaß an meiner bescheidenen literarischen Produktion nehmen. Natürlich bezieht sich das ja bloß auf den „Gaulschreck“ da es sonst außer verstreuten kl. Fäkalien in Zeitschriften nur noch eine vergriffene Novelle von mir gibt: „Der Kommandant von Kalymnos“. Aber sonst bin ich mit einerganzen Anzahl von Arbeiten knapp am Geborenwerden, nach den ersten Wehen hört es stets auf.

Ich habe einen großen phantastischen Roman geschrieben, der wieder zwei Helden des „Gaulschreck“ bis zu ihrer Vernichtung im Magischen weiterführt. Eynhuf, jetzt Philipp Maria Edi. v. Hahn, Hofrat i.R. jetzt Inhaber einer Unkräuter Trafik (halbamtliche Verteilungsstelle) in einem Traumreich, das auf Grund eines politischen Testaments Metternichs ins Leben trat.

Der andre Bekannte ist Großkopf, jetzt Xaver Naskrükl, der das unbekannte Persien eines vertrockneten Rokoko erforscht. Zu ihnen stoßen Cyriakus v. Pizzicolli, der wiedergeborene Entdecker Griechenlands in der Gotik und Baron Puntigam, ein steyrischer Parforcereiter. Sie erleben äußerst bizarre Dinge.

Korfiz Holm - der Macher des Langen Verlages und Szolnay haben sich lebhaft mit der Arbeit befaßt, trauen sich aber nicht heraus damit. Vielleicht finde ich einmal eine literarische Gesellschaft für dieses abstruse Buch. Bei Vorlesungen hatte ich glänzende Erfolge.

Wenn es Ihnen Spaß macht, sende ich Ihnen gelegentlich 3 Pragensien. Es sind 3 kleine Geschichten in „Memo- riam Meyrink“ die sogar auf Tatsachen beruhen. Der Skandal am Tetschner Zollamt, der Skandal mit dem russ. Attache auf der nächtlichen Karlsbrücke und der Skandal in Berchtesgaden mit einer Prozession. Sie sind Vortragsstücke Alma Seidlers.

Und nun habe ich an Sie eine literarische Frage: Ich habe auch zwei Komödien geschrieben (eine im Frühjahr und eine jetzt vor 5 Wochen.) Die erste heißt „Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter“, die zweite, noch ganz unbekannte „Excellenzen ausstopfen ein Unfug“.

Die erste will das Burgtheater 1936 aufführen, was mich sehr wundert, Buschbeck, der artistische Leiter des Hauses, und Aslan sind eben sehr von der Komödie, die ganz ausgefallen ist, eingenommen. Die andre Komödie ist ein Biedermaiergangsterstück in 11 Bildern und beinhaltet die groteske Tragik der Familie Feuchtersieben. Im Hintergrund steht die Tatsache, daß 1797 in Wien ein Dutzfreund Lessings ausgestopft und dem Hofmuseum einverleibt wurde!

Glauben Sie, daß ein Prager Theater die Stücke bringen würde? haben Sie zufällig irgend eine Beziehung zu einer Bühne?

Die Stücke sind billig auszustatten und erfordern je 17 - 18 Darsteller. Bombenrollen: (Komödien mit Gesang, was jetzt sehr gesucht ist.)

Ich würde mich sehr freuen von Ihnen zu hören und bin

Ihr sehr ergebener

Fritz Herzmanovsky-Orlando Prag I.

Revolučni 21.

Am 3. Dez. 35.

Sehr verehrter Herr von Herzmanovsky,

Ich habe mir all die Jahre hindurch, seit ich Ihnen schon zu schreiben plane, wahrhaftig nicht vorgestellt, daß ich meinen Brief sodann mit einer Entschuldigung würde beginnen müssen, - nun verhält es sich aber doch so, und zwar muß ich Sie um Entschuldigung bitten für die Verzögerung dieses Antwortbriefs.

Sie rührt daher, daß ich eben erst aus Wien zurückgekehrt bin, und es ist sehr schade, daß mich Ihr Brief nicht schon dort erreicht hat - denn Sie standen, wie immer, auch diesmal sehr häufig zur Debatte in den Gesprächen, die ich dort mit meinen Freunden hatte, und diese Debatte hätte dann vielleicht einen konkreteren Anstrich bekommen. Nun, das wird sich aber noch nachholen lassen, und zwar sehr bald, weil ich in Kürze meinen Aufenthalt wieder für einige Zeit nach Wien verlegen werde. - Damit wäre der erste der zahlreichen Punkte, die nicht zur Antwort auf Ihren Brief gehören, erledigt.

Punkt zwei: ich verwahre mich mit aller Entschiedenheit gegen die Formulierung, daß ich „Spaß*1 an Ihrer „bescheidenen literarischen Produktion“ gefunden hätte. Sollte tatsächlich, wie Sie schreiben, mein Freund Thorn Ihnen solches erzählt haben, so würde das zu bedeutenden Zwistigkeiten zwischen ihm und mir Anlaß geben. Ich bin jedoch überzeugt, daß er dies nicht getan hat, sondern daß hier eine eigenmächtige Entstellung Ihrerseits vorliegt, die ich also hiermit richtiggestellt haben will.

Der Spaß, den ich Ihrer literarischen Produktion verdanke, ist kein Spaß, und vor allem keiner den man finden kann - sondern ich bitte Sie, mir zu glauben, daß ich zu Ihren ersten und aufrichtigsten Bewunderern gehöre, und daß ich dieser Bewunderung in meinem Wiener Freundeskreis seit jeher permanenten Ausdruck gegeben habe.

Bevor ich nun praktisch auf Ihren Brief eingehe, habe ich Ihnen noch über die inzwischen vor sich gegangenen Verschiebungen Ihrer Manuskripte zu berichten.

Die hintergründigen Hebelkräfte dieser Verschiebungen sind folgende: 1.) Der Umstand, daß Fritz Thorn für längere Zeit beruflich nach Jugoslawien gegangen ist. 2.) Die Behauptung Dr. Ernst Polaks, Sie hätten ihm das Manuskript Ihres „Maskenspiels der Genien“ zugesagt. 3.) Meine Begier, dieses Manuskript kennen zu lernen, und mein von Dr. Polak (siehe oben) nicht bestrittenes Prioritätsrecht, diese Begier zu stillen. 4.) Die Wehrlosigkeit meines Freundes Thorn eben dieser Begier gegenüber, die sich natürlich auf Ihre gesamten Manuskripte erstreckt hat.

So daß sich also zurzeit sowohl das „Maskenspiel der Genien“ wie auch eine (gleichfalls aus Thorns Verwah rung erraffte) Abschrift des Singspiels „Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter“ bei mir befinden, augenblicklich noch in Prag, ungefähr ab Mitte Dezember in Wien. Meine dortige Adresse lautet bei Grossmann, Wien III., Riesgasse 3, und ich bitte Sie nunmehr um Ihre Direktiven, d.h. ob ich die Manuskripte an Dr. Polak ausfolgen und nachher wieder in Verwahrung nehmen soll, oder was Sie sonst damit geschehen lassen wollen.

Wenn Sie erlauben, werde ich jetzt die in Ihrem Brief enthaltenen konkreten Anfragen indirekt beantworten. Ich glaube nämlich nicht, daß man dem Publikum Ihre Werke auf eine so gewöhnliche und kommentarlose Art zugänglich machen kann und soll, wie Sie es offenbar im Auge haben; also durch Einreichung an Verlage, Redaktionen, Theaterkanzleien etc.

Ich habe aber jetzt eben in Wien wieder einige Verbindungen angeknüpft, die mich hoffen lassen, daß ich Ihnen bald Konkreteres berichten kann. Eine davon ist der Chefredakteur der Wiener Sonn- und Montags-Zeitung Karl Tschuppik, ein Österreicher bester Sorte und Ihnen vielleicht auch als Autor historischer Werke bekannt, von denen „Franz Joseph I.“ und „Maria Theresia“ die erheblichsten sind; ich .habe ihm zunächst ein Exemplar des „Gaulschreck“ übermittelt, mit dessen Lektüre er in ungefähr 14 Tagen, also bis ich wieder in Wien bin, zu Ende gekommen sein dürfte; das wird dann zweifellos auch seinen publizistischen Niederschlag finden, entweder durch ihn direkt oder durch mich.

Wobei ich allerdings der Meinung bin, daß solche - längst fällige - öffentliche Würdigung Ihres Werks besser aus einem aktuellen Anlaß erfolgen würde, also z. B. gelegentlich einer Theater-Aufführung, wenn ein neues Buch von Ihnen herauskommt, bei einer Vorlesung oder dergleichen.

Was'ich hoffe, und wozu ich mich nach Kräften beizutragen bemühe, ist nun eben, daß eine derartige Gelegenheit sich sehr bald ergeben möge. Es wäre deshalb sehr vorteilhaft, wenn Sie nun von Zsolnay und Korfiz Holm einerseits, von BuschbeCk anderseits einen möglichst präzisen Bescheid über den Stand Ihrer Angelegenheit erlangen könnten, und wenn Sie hierauf die

Freundlichkeit hätten, mich von den gegebenen Situationen zu unterrichten,' damit ich weiß, ob und in welchem Ausmaß andre Stellen interessiert werden sollen.

Ich meinerseits beabsichtige im kommenden Frühjahr an der Prager Urania einen auf drei oder fünf Abende berechneten Vortrags-, resp. Vorlese-Zyklus abzuhalten, der ungefähr unter dem Motto „Abseitiger Humor“ segeln soll, und bei dem es dann auch einen eigenen Herzmanovsky-Abend gäbe; der publizistischen Unterstützung Max Brods, der von Ihrem „Gaulschreck“ sehr begeistert ist, habe ich mich für diesen Fall bereits vergewissert.

Ich habe mich, sehr verehrter Herr von Herzmanovsky, im Vorstehenden sehr vorsichtig und nahezu schwammig ausgedrückt, aber ich hoffe, daß Sie meine durchgängige und prinzipielle Absicht merken und verstehen: Ihr Durchbruch an eine breitere Öffentlichkeit soll nämlich, wie ich glaube, möglichst vollkräftig inszeniert werden - f mit zwei oder drei verstreuten Artikeln, die ohne aktuellen Anlaß erscheinen und dem Publikum keine Gelegenheit zu sofortigem Zugriff bieten, wäre wenig getan, zumindest- für meine Be griffe, und jedenfalls im Verhältnis dazu, was getan werden sollte und bei der richtigen Gelegenheit auch getan werden kann und wird.

Ich brauche Ihnen hoffentlich nicht zu sagen, daß diese meine Bemühungen unablässig und mit der Zähigkeit des ehrlichen Bedürfnisses erfolgen werden und daß es mir eine aufrichtige Freude wäre, wenn ich dabei irgendwelche Erfolge zu verzeichnen hätte. Konkrete Mitteilungen werde ich Ihnen freilich immer erst dann machen, bis etwa wirklich Konkretes vorliegt.

Bis Mitte Dezember bin ich noch in Prag zu erreichen, von da ab einige Monate lang wieder in Wien; und es wäre natürlich am allerschönsten, wenn Sie während dieser Zeit Gelegenheit zu einem Besuch in Wien fänden, damit wir das alles und noch viel mehr mündlich besprechen könnten. Das wage ich aber ernstlich gar nicht zu hoffen, und es wird mir schon eine große Freude sein, wenn ich weiterhin brieflich mit Ihnen in einigem Kontakt bleiben kann.

Nochmals bitte ich Sie um Entschuldigung für die verspätete Antwort, und bleibe mit verehrungsvollen Grüßen

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