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„Ich hab' das Grün so gern...
Ich hab' das Grün so gern..."
Franz Schubert: „Die schöne Müllerin"
Dieweil es zu Linz bei der Weihe des Bischofs, auf den die Oberösterreicher so lange gewartet und den sie dennoch nicht erwartet hatten, hoch violett zuging („In Linz müßte man sein ..."), tagte am 17. Jänner in der Mozartstadt Salzburg („In diesen heil'gen Hallen ...") zum zweiten Mal die .Arbeitsgemeinschaft österreichischer Bürgerinitiativen": eine bunte Versammlung initiativer Bürger und Bürgerinnen vom Flötzersteig und aus dem Kamptal, aus Innsbruck und Kramsach, von Spittal an der Drau, Saalfel-den, Herzogenburg, Wolkersdorf, Dornbirn, Lauterach, Gablitz, Graz, Wiener Neustadt. Linz, Steyregg, Inzersdorf, last not least auch Wien und nicht zuletzt Salzburg. („O, du mein Österreich...")
Weil es am selben Wochenende auch sogenannte „Grüne" in Zwentendorf und Wien in Parteigründung machten (berufsmäßige, wenn auch bislang erfolglose Parteigründer proben den Aufstand), meldete der ORF im Sonntagsabendradio, daß sich auch in
Salzburg die „Grünen" formiert hätten, die einen Klosterneubur-ger Gemeinderat unbekannten Namens, der sich mit dem Professorentitel schmückt, der ihm nicht zusteht, zum „Parteiobmann" gewählt haben. (O Qual der Wahl!)
Das war natürlich blauer Dunst aus den Antennen des rosaroten
Regierungsrundfunks. Und doch hätte es beinahe dazu kommen können, daß die .Arbeitsgemeinschaft" arglos in das grüne Gerangel um Nationalratssitze, die bislang nur von Roten, Schwarzen und Blauen besetzt wurden (was natürlich unter Andersfarbigen oder Farblosen manchen Neidkomplex züchtet), hineingeschlittert wäre.
Daß noch vor Eintritt in die Beratungen, die sich ein sehr anspruchsvolles und daher jenseits von üblichen Parteiprogrammen gelegenes Bürgerprogramm gestellt hatten, ein freundlicher Aktionist eine blau-weiße und rot-durchsprenkelte Werbebroschüre der Niederösterreichischen SPÖ kommentarlos austeilte, in der natürlich auch ein wenig von Natur- und Umweltschutz geschrieben steht (man kann nicht gegen die Zeit schreiben: nicht einmal mehr in Parteipapieren), vermochte nichts zur Verwirrung der Geister beizutragen.
Ebenso nicht ein „Hearing" (warum soll nur Bruno Kreisky englische Modewörter gebrauchen?) mit dem eigens aus Vöcklabruck angereisten langjährigen sozialistischen und nunmehr „wilden" Abgeordneten Stephan Tull, der nach seinem Parteiausschluß gleichviel schnell und sensibel von Rot auf Grün umgeschaltet hat.
Wie dem auch sei: Man darf dem Tull seine Aktivitäten — mit oder ohne „ARGE" — nicht verargen, sagte doch schon der alte Adenauer: „Niemand kann mich hindern, über Nacht klüger zu werden." Zur politischen Klugheit scheint es auch zu gehören, Marktlücken in politicis zu entdecken. Und die derzeitigen Marktlücken liegen lückenlos im grünen Feld. Freilich reichen sie für Einsichtige, die nicht nur grün sehen, darüber noch weit hinaus.
Ein wenig kritisch wurde die Situation für die Versammlung der initiativen Initiativisten, als am späten Nachmittag des ersten Tagungstages der Universitätsprofessor Tollmann selbst eingeladen („selbst ist der Mann") vor dem Plenum erschien und tolle Perspektiven für eine grüne Kandidatur mit der ihm eigenen und hochachtenswerten Einsatzfreudigkeit für gute Sachen vortrug.
Da klang gleich eine ganze Registerarie voll fantastischer Vorstellungen von bereits sicheren
Nationalratssitzen auf: „... hier in Salzburg drei, dort in Oberösterreich vier, aber in Wien, ja in Wien sind's tausendunddrei ..." Nein: Das hat der seriöse Wissenschaftler bei aller Euphorie denn doch nicht gesagt. Es klang nur (nehmt alles nur in allem!) wie das Liebeswerben des Don Giovanni: „Reich mir die Hand, mein Leben, und komm ins Parlament mit mir..."
Allein: Noch nie war die Situation in Österreich für eine politische Wende und Erneuerung so günstig wie ausgerechnet jetzt. Einer hat dazu entscheidend beigetragen: Kreisky, wer sonst?
Das alte Farbenspiel ist verblaßt. Doch das neue Grün leuchtet zu schütter und zu schillernd auf, als das es nur Hoffnung wek-ken könnte. Im Gegenteil: sein Auswuchern in personell dubiose Bereiche scheint die Hoffnung zu dämpfen. Deshalb hat die .ARGE" gut getan, in ihrer Hauptresolution folgendes kurz und bündig festzustellen, womit alle grünen Verwechslungsspiele aus der Welt geschafft sind: „Die ARGE unterstützt keine der vorläufig auftretenden zersplitterten wahlwerbenden Gruppen, für die keine ausreichende Legitimation von der Basis her erkennbar ist."
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