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Idealisten sind erbittert

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„Österreich gewährt Flüchtlingen Asyl." Das ist die Generalklausel des neuen Asylgesetzes. Auf diesen Satz folgen viele Sätze, die diesen wieder einschränken. Dann wird in Paragraph 17 (3) definiert, unter welchen Umständen ein Asylantrag „offensichtlich unbegründet" ist (wenn die Identität des Asylwerbers nicht feststellbar ist oder er aus einem „sicheren Staat" kommt oder „nur" wirtschaftliche Not ihn forttrieb). Erst hinterher wird erklärt, wann ein Asylantrag „offensichtlich begründet" ist.

Und das ist leider der Trend des neuen Gesetzes, das sicher nicht generell Verdammung verdient. Doch sind die Wenn und Aber dem Gesetzgeber offenbar wichtiger als das klare Ja zur Asylgewährung. Zuerst kommen die Einwände, dann die Zugeständnisse. Das ist bedauernswert, denn Österreich hat auf dem Gebiet der Asylgewährung noch immer einen Ruf zu verlieren.

Positiv ist am neuen Gesetz, daß es überhaupt erlassen wurde. Das alte von 1968 war einfach von der Zeit überholt. Positiv ist auch, daß nunmehr automatisch Familienmitglieder dieselben Vorteile wie anerkannte Flüchtlinge zugesprochen erhalten; daß ein eigenes Bundesasylamt die Fremdenpolizei ablösen soll (falls wirklich besonders geschulte Beamte zum Zug kommen); daß ein formloser Antrag in jeder beliebigen Sprache genügt und Bescheide von Amts wegen in eine dem Asylwerber verständliche Sprache zu übersetzen sind; daß ein Merkblatt alle Asylwerber auf die Rechtslage verweist und daß keine Stempelgebühren anfallen. (Lebensrettung durch Stempelmarken: in Österreich kein bloßer Bürokratenwitz!)

Unmenschlich und rechtlich sehr bedenklich ist, daß nach einem Nein der ersten Instanz der Asylwerber abgeschoben werden kann und das Berufungsverfahren im Verfolgerland abwarten muß, dem er eben entrann. Sehr fragwürdig auch die Regel, daß der Flüchtling direkt aus dem Verfolgerland kommen muß und kein „sicheres Land" durchquert haben darf: Das schiebt einen Gutteil des Flüchtlingsproblems Südosteuropas den armen Ungarn zu.

Was vor Beschlußfassung auch noch empörte, war die Kaltschnäuzigkeit des Verfahrens: Trotz Drängens kirchlicher Stellen wurden diese nicht als Experten gehört, obwohl kaum jemand soviel Erfahrung mit diesem Problem wie die Caritas hat. Aber in der Flüchtlingsfrage hat sich die ÖVP das Christliche ganz hübsch abgeschminkt, wie auch das Abstimmungsergebnis zeigte: außer dem Nein der Grünen nur eine blaue Abweichlerin und zwei rote Dissidenten. Schwarz war einig.

Die Erbitterung unter kirchlichen Idealisten ist groß, wobei Eifer auch einige von ihnen blind macht. Aber nicht halb so blind, wie es jene Parteien sind, die immer noch glauben, durch prinzipienlosen Opportunismus Wählerrespekt einzuheimsen. Diese Methode wird sich bald ausgeheimst haben.

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