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Idole zum Anbeten und zum Entweihen

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General, erschien im Straßenanzug und hatte sich somit an die Kostümierung der gesamten Gemeinschaft angeglichen. Er trug gewissermaßen die Uniform der Masse. Er wollte bei dieser Gelegenheit (so sah man es in der TV) Kraft ausstrahlen: ruckartig, mit federnden Beinen stieß er jeden Satz hervor, so als hätte er die Absicht, die Wortreihen springend aus sich hinauszuschleudern; zudem verwendete er kein vorbereitetes Manuskript. Er wollte die Eigenkraft des Improvisierens wirken lassen, auch den Ausdruck von Aufrichtigkeit, der in der freien Rede liegt.

Umzüge, wie vor vielen tausend Jahren, eröffneten den Wettkampf. Man hat ihren eigentlichen Sinn längst vergessen, trotzdem vermag man aber an ihnen einigen Gefallen zu finden. Warum wohl? Weil sie jenen verschütteten Phantasiebildern des Archetyps,

Seite finden. Er muß ja eine haben. Oder...? Ein Phänomen wird hier erkennbar, das wir die Klatsch- und Tratsch-Komponente des Mythos nennen wollen.

Die Vertrautheit mit den Intimitäten der mythischen Figuren gibt dem Zuschauer der kultischen Handlung eine Spur von Weihe. Die Sprache ist auch in diesem Fall genau: der Zuschauer wird durch Klatsch zum Eingeweihten. Er glaubt sich über sich selbst zu erheben, in die Welt der Idole Einlaß gefunden zu -haben, mit dem Heros freundlichen Umgang zu pflegen. Also werden Launen und Leistungen der einzelnen Spieler besprochen, ihre Muskelzerrungen und ihre Speisen, ihre Aussprüche und die Einzelheiten ihres Eheglückes. Das gleiche psychische Bedürfnis des passiven Publi-, kums hat seinerzeit dazu geführt, daß das Privatleben der Monarchen zum

sich den Idolen nicht nur durch Entweihung genähert zu haben, sondern ihnen in einer gewissen Hinsicht vorübergehend auch noch überlegen zu sein.

So werden Triebe und Wunschvorstellungen des lebendigen Archetyps durch die gegenwärtige Fußballweltmeisterschaft befriedigt Die Summe all dieser Erfahrungen empfindet man als eine Art von Glück.

Und noch etwas. Bereits im Jahre 880 v. Chr. verkündete Lykurg von Sparta für die Zeit der olympischen Spiele den Gottesfrieden. Es ruhte für diese Zeit jeder Krieg, und für die, die aufgebrochen waren, die heüigmäßi-gen Wettkämpfe mitanzusehen, ruhten auch die Geschäfte. Zuschauer der Spiele arbeiteten selbstverständlich nicht. An dieser Tatsache hat sich in den letzten dreitausend Jahren nichts geändert.

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