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„Ihr Fehltritt, hüte!'

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Mit einem Schlag stand Österreichs Außenminister Willibald Pahr im Rampenlicht der in- und vor allem ausländischen Medienöffentlichkeit: Auf die in diesem Zusammenhang gefallenen rufschädigenden Anschuldigungen, denen der Minister bereits mehrfach in bisher glaubhafter Form entgegengetreten ist, wollen wir an dieser Stelle gar nicht eingehen.

Uns interessiert vielmehr die Frage: Ist die Tatsache, daß sich der österreichische Außenminister im Ausland neuerdings auf offener Straße niederschlagen lassen muß, nicht so etwas wie eine mit spitzer Feder gezeichnete Karikatur der heimischen Außenpolitik?

Freilich, an allem, was Österreichs Außenpolitik ins Zwielicht brachte, ist Willibald Pahr nicht selbst schuld: Seit ein früherer Außenminister Bundeskanzler ist, der noch dazu an innenpolitisch eher heißen Tagen gerne zur Weltpolitik Zuflucht nimmt, ist das Amt eines jeden Außenministers mit einer gewissen psychologischen Hypothek belastet: Der wahre Meister der diplomatischen Künste heißt Bruno Kreisky.

Dennoch muß man differenzieren: Pahrs Vorgänger Rudolf Kirchschläger und auch Erich Bielka hatten sich zumindest ein gewisses Maß an Ellbogenfreiheit geschaffen und es vor allem als Spitzendiplomaten verstanden, selbst in ausweglosen und auch brenzligen Lagen den jeweils richtigen Ton anzuschlagen. Dazu kommt noch, daß beide Pahr-Vorgänger Intim-Kenner aller Winkeln und Ecken im Außenministerium waren und daher den Beamten-Apparat weit besser zu dirigieren vermochten.

In all den genannten Punkten ist an Willibald Pahr nicht der Maßstab eines Kirchschläger oder Bielka, eines Waldheim oder Kreisky anzulegen.

In einer ganzen Reihe von Fällen hat sich Pahr nach unbedachten Äußerungen der herben Kritik der Medien ausgesetzt:

• Bereits als designierter Außenminister trat Willibald Pahr ins Fettnäpfchen: Laut „profil“ vom 13. 11. 1976 hätte Pahr Kreiskys Minderheitenpolitik einen „total verfahrenen Karren“ genannt. Der einzige Weg aus der Sicht des damals noch nicht angelobten Ministers: Boykott der Sprachenzählung durch die Slowenen.

• Im Mai 1977 machte sich Pahr in Südtirol neue „Freunde“: Die Tatsa-

che, „daß die Südtiroler immer neue Forderungen in Zusammenhang mit der Paketdurchführung gestellt haben“, habe zu Verzögerungen geführt. Die Reaktion von Südtirols Landeshauptmann Silvius Magnago ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Pahr schwäche die Verhandlungsposition der Südtiroler, eine solche Erklärung sei bisher nicht einmal von italienischer Seite abgegeben worden...

• Im März vergangenen Jahres leistete sich Pahr in Kuweit einen unverzeihlichen Ausrutscher. Die Agentur Reuter brachteam 12.3.1978 folgenden Text in alle Welt: „Außenminister Willibald Pahr bezeichnete am Sonntag in Kuweit den jüngsten Terrorakt palästinensischer Freischärler in Israel als eine Folge der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern ...“ Daß der nach Österreich heimgekehrte Pahr in einer Reihe gewundener Erklärungen den Patzer zu kaschieren versuchte, ändert nichts daran, daß jeder beliebige mit der Nahost-Problematik ver-

traute Beamte eine bessere Figur gemacht hätte.

Um nun kein falsches Bild entstehen zu lassen, sei erwähnt, daß Österreichs Außenpolitik überall dort, wo an bewährte Traditionen angeknüpft werden kann, gute und brauchbare Erfolge zeitigt. Das gilt etwa für den stetigen Ausbau der Beziehungen zu den östlichen Nachbarländern, was ohne viel Klamauk auf der Ebene der Spitzenbeamten passiert. Das gilt ebenso für Österreichs Engagement im Bereich der Vereinten Nationen, wo Österreichs Mitarbeit im Sicherheitsrat oder bei den verschiedenen friedenserhaltenden Operationen in guter Erinnerung ist.

Betrachtet man aber die neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der multilateralen Zusammenarbeit, muß man feststellen, daß Österreich weit weniger zur aktiven Mitarbeit bereit ist, als manche anderen Kleinoder Mittelstaäten. Gemeint sind etwa die Bereiche Abrüstung, Menschenrechte oder Nord-Süd-Dialog. Österreichs Funktion als Asylland sei

als wohltuende Ausnahme auf dem Gebiet des humanitären Engagements hervorgehoben.

Mit den schönen Worten sind wir Österreicher freilich rasch zur Stelle. Etwa wenn es darum geht, einen „Europäischen Entwicklungsplan für Afrika“ in die Wege zu reden. Als der ÖVP-Abgeordnete Wendelin Ett-mayer den Außenminister konkret nach Beiträgen und Maßnahmen der Österreicher fragte, mußte dieser gestehen: daß „keine Beschlüsse“ gefaßt wurden; daß auch „keine Entscheidung über die Höhe eines eventuellen Beitrages Österreichs“ gefallen sei; daß „lediglich in informellen Kontakten“ und in „unverbindlicher Form“ dies und jenes besprochen worden sei. Wer die Bühne nur ungefähr kennt, weiß: Geschehen ist nicht einmal gar nichts!

Einen schweren Stand hat Willibald Pahr auch bei den Beamten des Außenministeriums. Die Tatsache, daß er seine groß angekündigte Reform des Außenministeriums nicht einmal ansatzweise gegen den Widerstand der Personalvertreter durch* brachte, hat keinen zusätzlichen Respekt gebracht.

Mit starken Worten hatte Pahr kurz nach seinem Amtsantritt die Einführung des sogenannten „Desk-Sy-stems“ und die totale Umkrempe-lung des Hauses angekündigt: Die politische, die wirtschaftspolitische und die Kultursektion sollten aufge-' löst und die Kompetenzen nach regionalen Gesichtspunkten an eine bilaterale und eine multilaterale Sektion abgegeben werden. Die Reform, die gewiß auch das eine oder andere Gute an sich gehabt hätte, hat das Schicksal einer Seifenblase erfahren.

Alarmierend ist aber, daß das Außenministerium mit manchen Fragen ganz offensichtlich gar nicht mehr befaßt wird. Wie hohe Beamte versichern, sind die meisten Dinge, die Österreichs Außenpolitik tangieren, durch umsichtiges Zeitungsstudium zu erfahren: Etwa die Sache mit den israelischen Abfangjägern Kfir, die Rüstungsgeschäfte mit der Schweiz.

Ganz schlimm ist es auch mit dem Fortgang der europäischen Integrationspolitik. Ob der Außenminister zur Europa-Wahl am 10. Juni, zum Währungssystem oder zur EG überhaupt eine pointierte Meinung hat, ist hierzulande nicht bekannt.

Und schließlich: „Ein harter Roter wäre uns lieber, einer, der sich für uns einsetzt - so wie Rösch im Verteidigungsressort!“ Die Worte sind von vielen Diplomaten zu hören, weil sich Pahr weniger als jeder andere Minister für Sach- und Geldmittel einsetzt und die Belange seiner Beamten zur allgemeinen Unzufriedenheit vertritt.

Willibald Pahr ist gewiß ein guter, versierter Jurist. Politiker ist er bestimmt keiner, will er vielleicht auch gar nicht sein. Daß Willibald Pahr der nächsten Regierung nicht mehr angehören wird, schien schon vor Straßburg mehr als klar zu sein.

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