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„Ihre Zukunft bleibt die Gosse"

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Die Korruptionsaffäre rund um Präsident Collor de Mello hat nicht nur die Hoffnungen der armen Bevölkerungsmehrheit Brasiliens zerstört. Auch für die Millionen „Straßenkinder", deren sich Mello besonders annehmen wollte, ist der Traum ausgeträumt. Sie bleiben in der Gosse; von der Gesellschaft verachtet und von erbarmungslosen Killerkommandos gejagt.

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Die Korruptionsaffäre rund um Präsident Collor de Mello hat nicht nur die Hoffnungen der armen Bevölkerungsmehrheit Brasiliens zerstört. Auch für die Millionen „Straßenkinder", deren sich Mello besonders annehmen wollte, ist der Traum ausgeträumt. Sie bleiben in der Gosse; von der Gesellschaft verachtet und von erbarmungslosen Killerkommandos gejagt.

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Fernando Collor de Mello, wegen Korruption aus dem Amt gejagter Präsident Brasiliens, hatte noch im Vorjahr seinen Landsleuten ins Gewissen geredet: Die brasilianische Gesell schaft sei besonders erbarmungslos gegenüber den Ärmsten und Hilflosen, nämlich den „Straßenkindern":

„Sie sind wenig oder nichts wert, das Gesetz schützt sie nicht und für die öffentliche Moral existieren sie einfach nicht" wetterte der Präsident. Die Sorge gerade für diese Kinder müße in Brasilien daher höchste Priorität genießen. Jetzt ist Mello des Amtes enthoben; der Traum der Straßenkinder ausgeträumt?

Knapp 150 Millionen Einwohner zählt Brasilien, laut UNO-Statistik das Land mit den größten sozialen Gegensätzen. Der Großteil der Be-

völkerung hat gerade noch das Notwendigste zum Leben. Eine schmale Oberschicht genießt ihren Reichtum in vollen Zügen und ist nicht bereit, etwas davon abzugeben. „Von den 30 Millionen Kindern Brasiliens geht es 23 Millionen schlecht. Sieben Millio-

nen vegetieren buchstäblich in den Straßen" prangert der Soziologe Herbert de Souza die extremen sozialen Mißstände in sei-

— nem Land an. Er ist Direktor des 1981 gegründeten Institus für so-zio-ökonomische Erhebungen

und bekannt für sein Engagement für die Straßenkinder Rio de Janeiros.

Tagsüber können diese Kinder in die Anonymität der wuchernden Großstädte eintauchen; nachts schlafen sie

- höchstens in Kartons gehüllt - irgendwo in Ecken und Winkeln. Ihr

Überleben hängt vom Stehlen, von Überfällen, Prostitution und Drogenverkauf ab. Wer Glück hat, kann sich vielleicht mit Schuheputzen über Wasser halten. 500.000 minderjährige Mädchen arbeiten als Prostituierte, berichtet de Souza.

Dazu kommt die ständige Angst vor den Todesschwadronen. Diese Militärpolizeitrupps haben Meldungen zufolge nicht weniger als rund 16.500 Kinder allein in den letzten fünf Jahren einfach ermordet. Man findet die Leichen irgendwo. Mißhandelt und getötet. Sie zu verprügeln ist nicht genug. Brasiliens wohlhabendere Schichten empfinden sie als ästethisch unangenehm, als eine Plage. „Kinder werden in unseren Medien kaum als Opfer der wirtschaftlich-sozialen Verhältnisse gesehen, sondern als potentielle Kriminelle, die man am besten aus dem Weg räumen läßt" so Herbert de Souza im FURCHE-Gespräch.

Die politische Krise rund um ExPräsident de Mello hat jegliche Zukunftsperspektiven zerstört: „Die Brasilianer waren einfach fassungslos über die Korruptionsaffäre ihres Präsidenten. Sie hatten alle Hoffnungen in diesen Mann gelegt". Mit seinem Abgang sind auch die Erwartungen verflogen. Was bleibt für die Stra/ ßenkinder? Überhaupt nichts mehr. Derzeit nicht einmal mehr Hoffnung.

Einen Forderungskatalog an Politiker und Kirchenleitungen beschloß die „Österreichische Frafcensynode" in Puchberg bei Wels.

(ski)- „Wir haben Macht und ermächtigen uns gegenseitig". Mit diesen Worten ließ Ingrid Jehle, Sprecherin der „Initiativgruppe Frauensynode", keinen Zweifel am Selbstvertrauen der 250 Frauen („von der einfachen Dorffrau bis zur Nonne und Theologin"), die an der ersten ökumenischen „Österreichischen Frauensynode" (FURCHE 35/1992) teilnahmen. Das Thema der von feministischen Theologinnen initiierten Veranstaltung war „Macht und Ohnmacht", und zwar im spirituellen, politischen, sexuellen und ökonomischen Bereich.

Bei einem Pressegespräch in Wien präsentierten die Frauen ihre in Arbeitskreisen erarbeiteten Forderungen. Im kirchlichen Bereich verlangen sie eine nicht-sexistische Bibelübersetzung, eine frauengerechte Liturgiesprache, die Aufnahme mütterlicher Gottesbilder in die Religionsbücher. Zum Priesteramt der Frau in der katholischen Kirche hieß es, man strebe nicht so sehr in „männliche" Strukturen hinein, wolle vielmehr eine „Frauenliturgie" entwickeln.

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