6900131-1980_24_08.jpg
Digital In Arbeit

Ikonen in Ökumene

Werbung
Werbung
Werbung

Die Legende nennt den heiligen Lukas, den Evangelisten, als Urheber der „Urikonen”, und so wird ihm auch das erste Bild der Gottesmutter zugeschrieben. Parallel zu seinem Evangelium der Schrift hätte er also auch ein bildhaftes Evangelium, wenigstens in Anfängen, hinterlassen. Gemeint ist damit nicht eine Illustration der Schrift, sondern eine selbständige und unabhängige Interpretation und Darstellung der Verkündigung: Genau das nämlich ist Ikone.

Geschichtlich allerdings weiß man, daß diese Bildidee tief in der antiken Welt begründet ist. Als einer der Vorläufer der Ikone werden die Mumienporträts des hellenistischen Ägypten angesehen.

An den Ikonen der ältesten Zeit sieht man sehr deutlich das Hineinwachsen der christlichen Bildidee in den alten geschichtlich gegebenen Rahmen, zum Beispiel an einigen Ikonen des Sinai-Klosters St. Katharina: ein diagonales Mosesbild im Stile hellenistischer Malerei, eine symmetrische Petrus-Ikone, deren Randbilder noch stark an die genannten Mumienporträts erinnern, und eine frontale Ikone „Gottessohn und Gottesmutter” kennzeichnen den Anfang.

Ein halbes Jahrtausend später gibt es aber wieder Perfektion wie im alten Rom, als vor allem die byzantinische Hofkunst eine neue Synthese findet zwischen dem geistigen Inhalt und exzellenter Form und Malkunst, womit ein Vorbild entstand, das als klassische Ikone und als ein vorwiegend von By-zanz geprägter Stil die weitere Ikonenentwicklung für Jahrhunderte fast ganz festlegte.

Auch die russische mittelalterliche Ikonenmalerei repräsentiert die klassische Periode in Vollendung. Diese höchste Entfaltung fiel allerdings zusammen mit der großen Bedrängnis und schließlich dem Todeskampf des Byzantinischen Reiches. Für die vorher wirkende Kreativität der Ikonenmalerei gab es von da an wenig Chancen.

Die Entwicklung der Ikone als Kultbild der ganzen Christenheit folgte so genau den Bedingungen und Veränderungen dieser religiösen und politischen Ökumene. Die Lehren und Häresien, die Auseinandersetzungen um das altorientalische, arianische, orthodoxe und katholische Glaubensverständnis, Konzile und Synoden und Reichstage,

Unruhen und Staatsideen, nationale Blüte und politische Katastrophen, das alles bildet den Hintergrund für die ebenso leidvolle wie großartige Geschichte und Beständigkeit der Ikone als Kultbild.

Ausgehend von der grundlegenden Bedeutung von Byzanz sind Ikonen natürlich besonders in den orthodoxen Ländern zu Hause. Weniger bekannt aber ist die wirksame Unterstützung der Ikonenfreunde durch das katholische Rom zur Rettung der Ikone in ihrer vom byzantinischen Staat erlittenen wechselvollen und blutigen Verfolgung im 8. Jahrhundert, welche schließlich mit dem 2. Konzil von Nizäa (787) zum Sieg und ihrer Wiedereinführung in den Kult der Ostkirche führte.

Wenn auch der europäische Westen im Zuge der allgemeinen zentrifugalen Entwicklung schließlich andere Wege ging, so ist die Ikone hier weder den Humanisten noch den Christen jemals wirklich fremd gewesen. Zahlreiche Ikonen finden sich auf Altären in katholischen Kirchen, vereinzelt auch in evangelischen.

Sehr wichtig im Sinne eines ökumenischen christlichen Verständnisses sind die Ikonen der Übergangs- und Vermischungszonen zwischen den traditionell orthodoxen und katholischen Bereichen, so in Böhmen, Mähren und der Slowakei, in Polen, Ungarn und der westlichen Ukraine, in Serbien, Bulgarien und Rumänien, der Agäis und nicht zuletzt in Italien, besonders in Venedig.

Eine zweite Linie einer ökumenischen Annäherung im Zeichen der Ikone ergab sich durch die geschichtliche Entwicklung besonders seit der Aufklärung. Maßgebend und aufschlußreich dafür ist die Entwicklung in Rußland. Das Ende der klassischen Ikonenperiode ergibt sich zwangsläufig aus der komplexen und heterogenen Situation um 1900, einer Zeitenwende mt tiefgreifenden Veränderungen.

Eine erregende Stille ist eingetreten. Damit ist aber auch der Weg frei für einen neuen Frühling und für eine neue, in Ökumene verstandene, von ihr gewollte, von ihr erbetete und erhoffte Ikone. Eine ganz große Chance für unsere Zeit.

Der Verfasser dieses Beitrags zeigt derzeit in einer noch bis 14. Juni geöffneten Ausstellung in der CA-Zweigstelle Wien, Währingerstraße 162, einige seiner modernen Ikonen. Im Herold- Verlag ist von ihm jüngst ein vielbeachtetes Buch („Moderne Ikonen - theologische Bilder”, erklärende Texte von E. C. Sutlner) herausgekommen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung