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IM BRENNPUNKT DER KULTUREN

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Die starke historisch gewachsene föderalistische Position der Steiermark wird gerade im Jahr 1992 besonders bewußt, in dem wir eines Ereignisses vor genau 800 Jahren gedenken, das für die steirische und auch österreichische Geschichte von großer, ja viele Historiker sagen, von entscheidender Bedeutung ist: Das Jahr 1192 brachte nämlich den Zusammenschluß der beiden Herzogtümer Steiermark und Österreich. Diese beiden Länder waren der Kristallisationskern, um den sich die Entwicklung des heutigen Staates Österreich im Verlauf des Spätmittelalters vollziehen konnte. 1192 ist damit eigentlich die Geburtsstunde des föderalistischen Bundesstaates Österreich.

Das Bekenntnis zum föderalistischen Bundesstaat, die Treue und die Verantwortung für das gemeinsame Vaterland und zugleich die Position der Eigenständigkeit und des lebendigen Förderalismus sind die in der Georgenberger Handfeste 1186 festgehaltenen zwei Seiten derselben Medaille und daher auch eine aus acht Jahrhunderten gewachsene Position der Steiermark, zu der wir uns auch in der Gegenwart ausdrücklich bekennen. Unser Landesbewußtsein hat nichts mit Kantönli-Geist und Lan-des-Chauvinismus zu tun, denn Österreichs Einheit lebt in der bundesstaatlichen Vielfalt.

Die Republik Österreich wurde sowohl 1918 als auch 1945 durch den freiwilligen Zusammenschluß der Länder begründet. Dieses steirische Landesbewußtsein hat alle Phasen auch des verstärkten Zentralismus überlebt und hat immer wieder starke Impulse gegeben und erhalten.

Alles, was heuer von unserer Seite anläßlich dieses 800. Jahrestages veranstaltet wird, muß und wird mehr sein als nostalgische Traditionspflege und historische Reminiszenzen.

Entscheidend sind eine kritische Standort-Bestimmung der Position unseres Landes und eine tiefgründige Reflexion steirischer Identität.

Entscheidend ist die Geschichte unseres Landes als verpflichtende Her-ausforderng für die Gestaltung der Zukunft.

Tradition ist für uns nicht Schluß und Fluchtpunkt, sondern Fundament und Ausgangspunkt zur Gestaltung unserer steiri sehen Zukunft im österreichischen und mitteleuropäischen Zusammenhang.

Die Bedeutung des Föderalismus und der Regionen ist vor allem auch durch den großen europäischen Auf-und Umbruch der letzten Jahre weiter gestiegen. Gerade ein „Europa der Regionen" wird jene Zukunftsperspektive sein, die der Dynamik der europäischen Entwicklung - nämlich einerseits der EG-Integration und andererseits dem Wunsch nach Demokratie, Marktwirtschaft und Selbstbestimmung in vielen Ländern im Osten und Südosten Mitteleuropas -am besten entspricht. In der Tat gibt es einen weltweiten Trend zu mehr Dezentralisierung und verstärkter Besinnung auf kulturelle Identität, Eigenständigkeit und Eigenart.

Trend zu Dezentralisierung

Ein sich zunehmend einigendes Europa der Zukunft ist als zentralisti-scher Einheitsstaat nicht vorstellbar, sondern nur als ein Kontinent, der seinen kulturellen Reichtum und seine geistige Innovationskraft aus der Vielfalt seiner Völker und Regionen bezieht.

Ein Europa der Regionen, das nichts mit Provinzialität zu tun haben darf, ist daher ein Fundament der europäischen Einigung. Ein Europa der Bürger ist nur als ein „Europa der Regionen" vorstellbar.

Wir Steirer haben in der 1978 unter wesentlicher Mitwirkung der Steiermark gegründeten Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria, in der wir auch viele Entwicklungen des europäischen „Wunderjahres 1989" vorwegnehmen konnten, eine entscheidende Vorreiterrolle auch für ein solches „Europa der Regionen" eingenommen.

Diese europäische Föderalismusdiskussion muß selbstverständlich auch klare Auswirkungen auf die Stärkung von Ländern und Gemeinden im österreichischen Bundesstaat haben, wenn das Wort vom „Europa der Regionen" als Zukunftsperspektive der Einheit in der Vielfalt nicht nur ein Lippenbekenntnis sein soll, muß dies Konsequenzen auch für den Föderalismus in Österreich haben.

Der neue Finanzausgleich ab 1. Jänner 1993 wird eine Nagelprobe sein. In einem föderalistischen Staat ist der Stand der Dezentralisierung der Finanzen ein wichtiger Gradmesser für die Ernsthaftigkeit der Födera-lisierung. Länder und Gemeinden sind auch bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen, dafür brauchen sie aber auch die entsprechenden Möglichkeiten. Förderalismus kann und darf aber nicht die Verländerung der Bundesfi-nanzprobleme bedeuten. Länder und Gemeinden können daher neue Aufgaben nur dann übernehmen, wenn auch eine äquivalente Finanzierungsmöglichkeit garantiert ist - dies gilt für die Wasserwirtschaft genau so wie für das Bildungswesen und den Straßenbau. Der Bund hat auch die staatspolitische Verpflichtung, für ausgewogene Lebensbedingungen in allen Regionen zu sorgen, und damit haben die benachteiligten Bundesländer Anspruch auf besondere Solidarität.

Ich habe in diesem Zusammenhang dem Bundeskanzler auch die Bildung eines „Süd-Ost-Fonds" vorgeschlagen, damit einerseits die Wirtschaftsstrukturen der betroffenen Bundesländer und der südöstlichen Grenzregionen, das sind neben der Steiermark vor allem Kärnten und das Burgenland, im erforderlichen Ausmaß berücksichtigt werden und andererseits auch die neuen Chancen durch den europäischen Umbruch besser realisiert werden können. Schließlich gibt es auch in der EG entsprechende Regional-Fonds und Förderungsinstrumentarien.

Insgesamt verlangen wir im neuen Finanzausgleich neben der Berücksichtigung der spezifischen Wirtschafts-Strukturen auch die Verankerung eines Sockelbetrages, durch den die flächenmäßige Ausdehnung des jeweiligen Bundeslandes stärker als bisher berücksichtigt wird. Die Bevölkerungszahl allein als Indikator führt zu einer Benachteiligung der flächenmäßig größeren und weiträumig besiedelten Bundesländer. Denn die Steiermark ist zwar bevölkerungsmäßig nur das viertgrößte, aber flächenmäßig das zweitgrößte Bundesland. Gerade die vielfältigen Kosten der Infrastruktur, die sich aus der Größe eines weiträumig besiedelten Bundeslandes ergeben - Schulen, Kindergärten, Kanalisation, Wegebau, Wasserbau, aber auch die immer drängenderen Aufgaben zur Erhaltung einer Kulturlandschaft - müssen besser berücksichtigt werden.

Neue Standortqualität

Allgemein ist unsere Steiermark durch die Erfolge unserer Bemühungen der letzten Jahre und vor allem durch die Entwicklungen im internationalen Umfeld nach Jahrzehnten der Grenzlage am äußersten Rand der westlichen Demokratien sozusagen in eine neue geopolitische Zentrallage Europas gelangt und kann damit ihre historische Position wieder aufnehmen. Aufgrund ihrer geopolitischen Lage und auch der großen Tradition alsjahrhundertelanges Grenzland und als Residenz der ehemaligen Habsburgischen Ländergruppe Innerösterreich am Schnittpunkt der drei großen europäischen Kulturkreise - des deutschen, des romanischen und des slawischen - hat die Steiermark stets eine ausgeprägte internationale Verantwortung wahrgenommen.

Wir wollen diese wiedergewonnene und neue Standortqualität der Steiermark noch mehr herausstellen und unser Land als dynamisches Zentrum im Südosten Europas weiter profilieren, um so die spezifischen Chancen der neunziger Jahre zu nützen.

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