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Im Dickicht der Kommissionen

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Kann ein Gesetz wie das heuer zehnjährige UOG (U niversitätsorgan isati-onsgesetz) die Voraussetzungen für ein gutes Klima an den . Universitäten schaffen und fördern?

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Kann ein Gesetz wie das heuer zehnjährige UOG (U niversitätsorgan isati-onsgesetz) die Voraussetzungen für ein gutes Klima an den . Universitäten schaffen und fördern?

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Im Jahr der Jubiläen - Bach, Zweite Republik, Staatsvertrag -zögert man, den zehnten Geburtstag des UÖG zu feiern. Erstens weiß man kaum, worauf man mit Bewunderung zurückblicken könnte. Zweitens kann man nicht mehr mit Nicht-UOG-Universitäten vergleichen, weil die Spuren verwischt sind. Drittens kann der Ruhm einer Universität durch ein gutes Gesetz nicht bewirkt und durch ein schlechtes Gesetz nur behindert werden. Die Qualität wird stets durch Einzelpersonen und das Klima ist von den zugehörigen Teams bestimmt. Bei fünf guten Leuten kann man, unabhängig vom jeweils geltenden Recht, von einer guten Universität sprechen.

Die Universität ist erstens ein Betrieb, der Forschung und Lehre produziert, transportiert und ausbessert. Sie ist zweitens eine Behörde, die Qualifikationen, Rechte und Pflichten für Universitätsabgänger beurkundet. Sie ist drittens eine Zunft oder eine Kammer, die sich wie ein Organismus regenerieren muß. Sie lebt daher von internen Qualifikationen und dem Recht auf Selbstergänzung. Sie ist viertens ein Innovationsbüro, das selbst Schwerpunkte setzt und, wenn notwendig, auch verschiebt, unabhängig davon, wer gerade vor einem Ministerium demonstriert oder im Gebäude interveniert. Sie ist fünftens schließlich eine staatliche Stiftung, die aus staatlichen Mitteln im öffentlichen Interesse gespeist wird.

Für Betriebe, Behörden, Kammern, Büros und Stiftungen gibt es in Österreich seit Maria Theresia ausgereifte Gesetze, die in einem Universitätsgesetz widerspruchsfrei vereinigt sein müßten. Das alte Hochschulorganisa-tionsgesetz wurde diesen Forderungen nicht gerecht, zeichnete sich aber durch eine gewisse Rechtssicherheit aus. Das geltende UOG nimmt nicht einmal in seiner Motivierung auf die erwähnten Komponenten Rücksicht, sondern beruht auf einem einseitigen kulturrevolutionären Ansatz: Für den Gesetzgeber ein progressives Alibi und ein Ablenkungsmanöver, auf das die Öffentlichkeit meist apathisch oder gar mit Schadenfreude reagierte.

Da ist zunächst die betriebswirtschaftliche Komponente. Durch die Aufteilung der Kosten auf Bauten- und Wissenschaftsressort und deren Sektionen werden einerseits die tatsächlichen Kosten verschleiert, andererseits kann man sich bei einem dringenden Projekt gleich vier Körbe holen. Der Rechnungshof kann nur mehr Inventarlisten kontrollieren, aber nicht die Frage, ob eine

überdimensionierte Verwaltung oder die Inflation von Kommissionen eine betriebswirtschaftlich unberechtigte Vergeudung von vielen Arbeitsstunden darstellt.

Auch der Entfall der Studiengebühren macht eine Kosten-Nutzen-Rechnung unmöglich. Sozial wären Stipendien für Lebenskosten und Studiengebühren bei jenen, die wirklich studieren und nicht nur Netzkarten der Verkehrsbetriebe anstreben. Wenn aber der Gesetzgeber auf der einen Seite die Massenuniversität forciert, andererseits die Begabung eines Studierenden nach dem Steuerbescheid des Vaters beurteilt, können weder Räume noch Mittel für die Standardbetreuung aufgebracht werden, und die Lehre wird zur Beschäftigungstherapie der Hochschullehrer.

Funktionsfremd

Der Start des UOG wurde von Fanfaren der Transparenz und Demokratisierung begleitet. Die Transparenz beschränkt sich auf die Geschäftsordnungen der Dienststellenausschüsse, der Institutskonferenzen, der Habilitationskommissionen, der Berufungskommissionen, der Ehrungskommissionen, der Professorenkurien, der Mittelbaukurien, der Studentenkurien, der Raumausschüsse, der Lehrauftrags- und Studienkommissionen, der Fakultäts- und Senatskommissionen, der Personal-, Stellenplan- und Budgetkommissionen. Wann aber und ob überhaupt etwas bewilligt wird, bleibt im dunkeln, Planung wird unmöglich, und berühmte Gäste muß man mehrmals ein- und ausladen.

Manchen Funktionären gefällt dieses Spiel, und sie sprechen von inneruniversitären Machtkämpfen, wo keine Macht mehr ist, sondern in magischen Proportionen Anträge erarbeitet werden, die in fünffacher Ausfertigung in den Ritzen ministerieller Klagemauern verschwinden. Hier geht es nicht um Gegensätze konservativ-progressiv, Zentralismus-Autonomie, sondern um die Ermüdung jedes Konzepts durch Papiermultiplikation auf dem Boden eines Gesetzes, das schlicht und einfach funktionsfremd ist und das man durch keine Novellierung heilen kann oder soll. Denn die Flut von Dienstrechtsmitteilungen ist nur ein Zeichen dafür, daß es an der Zeit ist, ein funktionsgerechtes Gesetz zu erlassen.

Die Universität ist eine Behörde. Doch auf die Stühle der Standesbeamten hat das UOG Interessenvertreter gesetzt. So kann es kommen, daß Gruppendynamik zum einzigen Pflichtfach für Techniker wird, wenn im Austauschweg die besondere Rolle des vierten Elektrons im Berylliumatom zum Pflichtigen Wahlfach wird. Die verbliebene Autonomie erstarrt in Gettobildung und Per-petuierung des Vorhandenen. Bei Einsparungen kann auf Blutauffrischung von außen, auch wenn es nur die Schwesterfakultät ist, verzichtet werden. Jedes Gesamtkonzept kommt, wenn es existiert, unter die Räder.

Heillose Vermengung

Die Universität ist eine Zunft, die sich durch Berufungen von außen und durch die Ernennung von Dozenten im Inneren ergänzt. Die Berufungen von außen werden UOG-bedingt seltener. Die Ernennung von Dozenten ist, auch UOG-bedingt, von den Fachgutachten unabhängig geworden. Die Einwände des Ministeriums beschränken sich auf Formalfehler. Gibt es trotzdem Schwierigkeiten, dann findet durch eine ministerielle Kommission nicht Selbstergänzung, sondern Fremdbeglückung statt, wie auch sonst auf dem weiten Dienstweg in Personalangelegenheiten die Auf sichts- und Exekutionsinstanzen heillos vermengt sind.

Es soll auf die Behandlung der Mißhandlung der übrigen konstituierenden Komponenten einer Universität verzichtet werden.. Das Klima wäre schlecht, wenn man nicht auch im Anschluß an Personalkommissionssitzungen mit entfernteren Kollegen Sachprobleme diskutieren könnte.

Die Universitäten könnten verstaatlichte Musterbetriebe sein, wenn ihr Gesetz nicht von ideologisierenden Legisten konstruiert wäre, sondern irgendetwas mit den Funktionen einer Universität zu tun hätte.

Prof. Dr. Gernot Eder ist Atomphysiker am Atominstitut der österreichischen Universitäten in Wien.

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