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Im Interesse der Forschung

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Das seit Jahren erhoffte neue Dienstrecht für Hochschullehrer sollte vor allem die Forschungsmöglichkeiten und die Chancen des 'wissenschaftlichen Nachwuchses verbessern.

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Das seit Jahren erhoffte neue Dienstrecht für Hochschullehrer sollte vor allem die Forschungsmöglichkeiten und die Chancen des 'wissenschaftlichen Nachwuchses verbessern.

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Seit über neun Jahren wird über ein neues Dienstrecht der Hochschullehrer verhandelt. Anstöße dazu gibt es mehr als genug. Zum ersten ist diese Materie auf eine Unzahl von Rechtsquellen verstreut. Die ältesten davon stammen aus der vorkonstitutionellen Zeit der Monarchie. In den Sechziger- und Siebziger jähren erlebte Österreich eine stürmische Entwicklung im Hochschulbereich: Steigende Hörerzahlen, Neugründungen und eine wache Studentenschaft verlangten nach einer aktiven Hochschulpolitik. Aus der großen Zahl der gesetzgeberischen Anläufe ragt zweifellos das Universitäts-Organisations-gesetz aus 1975 heraus, das die Mitbestimmung des akademischen Mittelbaues und der Studenten, wenngleich mit Abstufungen, gebracht hat.

Im Jahre 1979 gelang es, ein Beamten-Dienstrechtsgesetz zu verabschieden. Bezüglich der Hochschullehrer sah sich der Gesetzgeber mit Ausnahmebestimmungen bereit, grob gesprochen, alles beim alten zu lassen. Die äußerst komplexe Materie auf diesem Gebiet sollte einem besonderen gesetzgeberischen Akt vorbehalten bleiben. Auch war nicht klar, ob dies durch eine Novellierung oder in einem eigenen Hochschullehrerdienstgesetz geschehen solle. Auf jeden Fall wurden die Dienstrechtsangelegenheiten der Hochschullehrer 1979 auf des Teufels liebstes Möbelstück — nämlich auf die lange Bank — geschoben. Ein neuerlicher Anlauf im September 1982, diese Angelegenheiten zu regeln, blieb in den Anfängen stekken.

Der neue Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, Heinz Fischer, selbst Universitätsdozent, erweckte im September 1983 große Hoffnungen, als er sich einen persönlichen Beraterkreis, zum Teil aus den Standesvertretern der Hochschullehrer, schuf. Dem Vernehmen nach hat dieser Beraterkreis auch schon einige Male getagt und die strukturellen Probleme wie deren normative Bewältigung erarbeitet. Minister Fischer hat gerade begonnen, sich mit den erarbeiteten Materialien auseinanderzusetzen.

Von den bisher in den vergangenen neun Jahren der Verhandlungen am meisten diskutierten Problemen ragen folgende heraus:

• das Arbeitszeitproblem,

• die Fragen des wissenschaftlichen Nachwuchses und

• die flankierenden Maßnahmen.. laquo;

Zum ersten angesprochenen Problemkreis der Arbeitszeit muß man vorab bemerken, daß die Hochschullehrer zwar Beamte sind, aber eben selbständige wissenschaftliche oder künstlerische Leistungen zu erbringen haben. Sie fallen daher ganz sicher aus dem Rahmen einer sonst durch den organisatorischen Ablauf bedingten starren Dienstzeitregelung. Für die Professoren bedeutet dies, daß sie durch ihre Lehr-und Forschungsverpflichtungen und durch die Mitarbeit in der Verwaltung ihrer Hochschule ihre Dienstpflichten erfüllen. Insofern sind sie auch Träger des Grundrechtes der Freiheit der Wissenschaft.

Eine Abstufung in diesem Bereich, die vor allem von Seiten der Verwaltung angestrebt wird und sich gegen die außerordentlichen Professoren richtet, kann kein funktionales Argument für sich ins Treffen führen. Kein Mensch würde auf die Vorstellung verfallen, einem Richter am Bezirksgericht eine eingeschränkte dienstrechtliche Stellung zuzuschreiben, nur deshalb, weil er an der untersten Instanz der Rechtspflege wirkt. Auch für ihn muß notwendigerweise das Verfassungsgebot der Unabsetzbarkeit, Unversetzbarkeit und Unabhängigkeit gelten.

Für den Grundrechtsträger der Wissenschaftsfreiheit hingegen sollte es — nach Ansicht der Verwaltung — funktional und zumutbar sein, wegen jeder Fahrt an eine Universitätsbibliothek einer anderen Stadt ein umständliches Dienstrechtsverfahren in Gang zu setzen und im übrigen auch peinlich zu belegen, daß er die Normaldienstzeit einhalte. Dazu fehlt jeglicher sachliche Grund.

Die Fragen des wissenschaftli-

chen Nachwuchses sind die ernstesten Aufgaben für eine Gesetzgebung auf dem Gebiete des Dienstrechtes der Hochschullehrer. Da die Assistenten neben der Erfüllung allgemeiner Dienstpflichten, wie der Unterstützung der Professoren, auch noch besondere Qualifikationen erwerben sollen, die sie zum späteren Lehramt an Hochschulen berechtigen sollen, ist gerade ihre dienstrechtliche Stellung besonders auszugestalten. Deutlicher als bisher müßte der Gesetzgeber die Eingangsphase von der eigentlichen Habilitationsphase der Assistenten abgrenzen.

Das heißt, nach einem Zeitraum von etwa vier Jahren müßte festgestellt werden, ob der junge Wissenschaftler nun tatsächlich für die Erlangung einer Lehrbefugnis an einer Hochschule geeignet erscheint. Sollte ihm diese Eignung fehlen, so müßten ihm Brücken und Ubergänge geschaffen werden, in außeruniversitäre Berufe nahtlos überwechseln zu können. Derzeit scheitert solch ein Ubergang vor allem daran, daß die Tätigkeit als Assistent nicht als anrechenbare Praxis für viele Berufe anerkannt wird.

Ausdrücklich sollte auch, wie dies in manchen deutschen Hochschulvorschriften getan wurde, das Ausmaß des den Assistenten für selbständige wissenschaftliche Arbeit einzuräumenden Anteils der Dienstzeit bestimmt werden. Ein Drittel bis zur Hälfte kann hier als sinnvoll vertreten werden. Ein Sonderproblem bilden jene Assistenten, die bereits die Habilitation erlangt haben, d. h. Dozenten sind. Auch ihnen muß ein Teil der Dienstzeit für die Forschung zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wäre ihre Weisungsfreiheit in Angelegenheiten der Lehre zu verdeutlichen.

Zu den Vorschlägen, die hier unter „flankierende Maßnahmen" zusammengefaßt werden sollen, seien beispielsweise genannt: Erleichterung von Auslandsaufenthalten unter Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses, zum Beispiel, um Forschungsaufenthalte zu fördern, und Möglichkeiten der Praxisverwendung.

Für den privaten Sektor müßte die bereits gestartete Aktion „Wissenschafter für die Wirtschaft" weiter forciert werden und diese Art der Verwendung dienstrechtlich abgesichert sein. Als besonders dringliche begleitende Maßnahme wird jedoch von allen Gruppen der Hochschullehrer die regelmäßige Gewährung eines sogenannten Forschungssemesters gefordert.

Der gegenüber früheren Jahrzehnten und vor allem durch die neuen Studienvorschriften intensivierte Lehrveranstaltungs- und Prüfungsablauf hat in der Regel dazu geführt, daß während der Semester die Forschung sehr in den Hintergrund treten muß. Durch eine Entbindung der Hochschullehrer von ihrer Lehr- und Prüfungstätigkeit etwa in jedem siebenten Semester könnte dies ausgeglichen werden. Daß dies möglich und sinnvoll ist, beweist das Ausland.

Dies können freilich nur Beispiele aus einer sehr komplexen Materie darstellen. Eines aber ist sicher, die Hochschulen Österreichs benötigen ein Dienstrecht, das ihren Aufgaben gemäß gestaltet ist. Es soll die Mobilität und Flexibilität, den Praxisbezug und die Möglichkeit, Forschungsergebnisse in die Wirtschaft und den öffentlichen Dienst einzubringen, ermöglichen. Dazu wird noch eine Strecke im politischen Prozeß zu bewältigen sein, eine Strecke, bei der es nunmehr gilt, die Öffentlichkeit mehr als bisher mit den Notwendigkeiten der Hochschulen insgesamt vertraut zu machen.

Der Autor ist Univ.-Prof. für Rechtsphilosophie, Aug. Staatslehre und Methodologie der Rechtswissenschaften an der Universität Salzburg.

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