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Im Kraftfeld einer Region

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Die Idee der engeren Zusammenarbeit der kleinen Völker an der Donau nimmt allmählich Gestalt an. Der Gedanke, lange Zeit vor allem in der Zeitschrift,J?an-nonia“ vertreten, entwickelt und verästelt sich nun in vielen Sym-

posien und Publikationen. Das entspricht der Freiheit des Planens, auch der Vielfalt der ethnischen Gruppen und politischen Modelle.

Längst hat die Diskussion auf Deutschland übergegriffen. Nach einem anspruchsvollen Symposion der Universität Erlangen ist in Berlin Karl Schlögels Buch „Die Mitte hegt ostwärts“ und in Stuttgart der Sammelband „Mitteleuropa im Spannungsfeld der Gegenwart“ erschienen. In Wien ist gerade das Symposion .JHeimat Mitteleuropa“ beendet worden. Auf die neue Folge des von Felix Ermacora und Norbert Leser her-

ausgegebenen „Jahrbuchs für Donauraum-Forschung“ folgte der Band „Aufbruch nach Mitteleuropa“, in dem nach dem Willen der Herausgeber Erhard Busek und Gerhard Wilflinger an Hand von vierzehn Studien „die Rekonstruktion eines versunkenen Kontinents“ versucht wird.

Als zentrale Beobachtungsstelle und als Stätte der geistigen Begegnung hat Erhard Busek das „Colloquium Mitteleuropa“ ins Leben gerufen. Die ersten Gäste der neuen Institution waren Vertreter des Istituto per gli Incontri Culturali Mitteleuropei aus Görz.

Die Gründung des „Colloquium Mitteleuropa“ folgt nicht einer flüchtigen Mode oder gar einer die Vergangenheit verklärenden Nostalgie. Sie entspricht einer historischen Notwendigkeit. Im neuen Aufbruch zur regionalen Zusammenarbeit sieht man formende Kräfte der Geschichte am Werk. Sie sind dabei, veraltete Denkstrukturen zu überwinden.

Es wächst die Bedeutung der kleinen Einheit. Lebensnotwendiges kann nur regional, durch

Querverbindungen einzelner benachbarter Regionen in Angriff genommen werden. Das österrei-chisch-ungarische-tschechoslowa-kische Kraftwerk bei Gabciko-vo/Nagymaros an der Donau ist dafür ebenso ein Beweis wie der Beschluß der Kraftwerkgegner, ihre Opposition in allen drei Ländern gleichzeitig voranzutreiben.

Zum Wirtschaftlichen und Ökologischen tritt das Geistesgeschichtliche hinzu. Einer Generation, die 1918 und 1945 nicht erlebt hat, sind künstliche Trennungen suspekt. Sie weigert sich, Konsequenzen von Taten mitzutragen, die andere verschuldeten. Nachbarschaftspolitik ist ein erster Schritt; die Gemeinsamkeit von Mentalität und Kulturerfahrung verlangt nach einem freien Strömen der Ideen. Das schwächt die Machthaber nur in Ländern, in denen schwache Denker an der Macht sind.

Im gegenwärtigen Nachdenken über Mitteleuropa regt sich ein Gefühl der Verantwortung für die Zukunft. Der Zusammenbruch extrem funktionalistisch gedachter Ideologien, die gegenwärtige technische Revolution in den USA und Japan, Entwicklungen der Gentechnik und der Biochemie schaffen neue Notwendigkeiten. Sie fordern neue Gedanken und Methoden. Kein Wunder, wenn die Mitteleuropäer nach Mitteln und Wegen suchen, der Herausforderung gemeinsam zu begegnen.

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