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Im Kreis geht's munter voran

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Nicht nur die lange Dauer der Wiener Runde der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hat das Vertrauen in den KSZE-Prozeß erschüttert. Neben der Stagnation des Folgetreffens in Wien, das vergangenen Freitag in seine fünfte Runde ging, sind es gewisse Anzeichen einer gleichbleibenden Menschenrechtssituation in osteuropäischen Staaten, die ein echtes Voranschreiten in der österreichischen Hauptstadt verhindern.

Es ist paradox: Moskau drängt in Wien so sehr auf ein Mandat für eine Menschenrechtskonferenz in der Sowjetunion, ist aber — so scheint's — bei konkreten Anfragen bezüglich seiner Menschenrechtspraxis (vor allem hinsichtlich der Ermöglichung echter Religionsfreiheit) zu keinerlei Glas-nost bereit.

Beteuerungen sowjetischer-seits, daß sich die Lage der Ausreisewilligen, der Regimekritiker, der politischen und religiösen Dissidenten ohnehin ständig bessere, wird kaum Glauben geschenkt.

Die westlichen KSZE-Delegierten können doch nicht absehen von Ausbürgerungen aus der Deutschen Demokratischen Republik, von den ständigen Rufen nach mehr Freiheit für Christen in der Tschechoslowakei, von der Nichterfüllung des Versprechens des sowjetischen „Religionsministers“ Konstantin Chartschew, alle aus religiösen Gründen Inhaftierten freizulassen — ganz zu schweigen von der Repression der Minderheiten in Rumänien.

Wohin geht die KSZE? Der Optimismus vom Beginn des Wiener Treffens im November 1986 ist verflogen. Erlahmt scheint auch das Begleitprogramm nichtstaatlicher Organisationen (NGOs), die doch ein bißchen Feuer unter die Sitze der Delegierten aus 35 Ländern legen könnten.

Sollte jetzt die fünfte Runde in Wien tatsächlich die letzte sein, müßte in relativ kurzer Zeit die Frage nach der Fortführung der

Konferenz für Vertrauensbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa (KVAE) geklärt beziehungsweise ein Mandat zu Verhandlungen im Bereich konventioneller Rüstung erteilt werden. Bezüglich der Menschenrechtskonferenz befürworten die EG-Staaten eher Paris als Austragungsort — zumal im nächsten Jahr das 200-Jahr-Jubüäum der Französischen Revolution begangen wird.

Moskau wird als Tagungsort zwar nicht grundsätzlich abgelehnt — immerhin ist der KSZE-Prozeß ein europaweiter —, Österreich als neutraler Staat sowie die Zwölfergemeinschaft stellen hier jedoch Bedingungen: ein Mandat für Moskau wird nur dann sinnvoll sein, wenn die Sowjetunion den freien Zugang von Privatpersonen und NGOs zur Menschenrechtskonferenz gewährleistet.

Etwas konstruktiver laufen die Gespräche um künftige Abrüstungsverhandlungen desgleichen um ein Wirtschaftsforum, das Prag gerne beherbergen möchte.

Trotz dieser eher negativen Bilanz ist der österreichische Delegationsleiter bei der Wiener KSZE-Runde, Botschafter Rudolf Torovsky, der Meinung, daß die in Helsinki 1975 eingeleitete Entwicklung nicht mehr gestoppt werden kann. Gewisse Vorfälle könnten zwar die Haltungen in Wien verhärten, aber den KSZE-Prozeß nicht wirklich gefährden.

Ähnlich äußerte sich auch Helmut Schäfer, Staatsminister im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland. Für ihn sind die höheren Emigrationszahlen Indiz einer offeneren Haltung der Sowjetunion. Die Bundesrepublik wolle zwar keine Ausreisehysterie erzeugen, möchte aber garantiert sehen, daß jedermann in ein Land seiner Wahl ausreisen könne. Minderheiten müßten aber in ihren jeweiligen Ländern kulturelle und religiöse Rechte garantiert werden.

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