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Im Leben vom Tod umfangen
Ein altes Lied besagt: „Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen.” Das bedeutet doch wohl, daß im Leben immer schon Sterben geschieht. Man mag den Text dieses Liedes schon oft gesungen haben; ob man ihn aber auch einmal bedacht hat?
Die Ängste der Sterbenden ergeben sich weniger daraus, daß überhaupt Sterben geschieht, sondern wie und wo es sich an ihnen vollziehen wird.
Die Erfahrung von Endlichkeit, die Empfindung von Unfreiheit und Abhängigkeit, zugleich aber auch die Sorge und Ungewißheit um das „Danach” für sich und die Hinterbliebenen werden unabweisbar. Die Furcht vor dem Ausgeliefertsein, vor der Manipulierbarkeit des Sterbens, der Gedanke an die Hilflosigkeit und Ohnmacht der Helfer, das alleinige Betroffensein vom nahenden Tode prägen ihre Tage und Nächte.
Aber es wächst auch die Hoffnung darauf, daß mit dem Tod nicht alles aus sein möge, daß sie ihn „überleben” könnten und daß auch von ihnen etwas in Erinnerung bleibt.
Die Aufgabe der Helfenden wird es dann sein, durch ihre Bereitschaft zum „Da-sein” und zum Gespräch den Sterbenden das zu erhalten, waa,. ihnen schon immer lebenswichtig war: An der Hand eines Menschen in Geborgenheit zu leben und nunmehr auch zu sterben.
Die Verwiesenheit des Menschen auf ein Du ist für das Leben von grundlegender Bedeutung - erst recht wohl dann, wenn im Sterben immer noch gelebt wird und Leben sich vollzieht.
Zur Verwirklichung von Kommunikation gibt es eine Fülle von Möglichkeiten verbaler Art, die letztlich auch den Tod in der Erinnerung zu überdauern vermag. Entscheidend ist dabei der rechte Umgang mit der Wahrheit.
So, wie Wahrhaftigkeit für das Leben des Menschen unverzichtbar ist, so gerade dann, wenn dieses Leben zur Neige geht, wenn alles Verdrängen nicht mehr weiterhilft. Ohne die Wahrheit zu leben oder gar gegen sie, ist dem Menschen im Grunde nicht möglich — selbst dann nicht, wenn es Phasen gibt, in denen nicht immer die ganze Wahrheit akzeptiert werden kann.
Im Umgang mit der Wahrheit kommt es nicht darauf an, daß der Begleiter jetzt „etwas” oder „was er gerade” mitteilen möchte. Die Wahrheit muß dem Betroffenen dienen, die Konfrontation mit ihr hat sich an seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten auszurichten.
So möchte und nur so kann der Sterbende auf der ihm nunmehr verbleibenden letzten Wegstrecke noch einmal erfahren, daß jemand da ist, der ihn begleitet und bei ihm ausharrt, bevor er den allerletzten Schritt dann doch alleine gehen muß.
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