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Im Osten Neues

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40 Wissenschaftler aus 15 Ländern führten in Tokio vom 25. bis 30. Mai ein Symposium durch über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Technologie zu geistigen, vorwiegend religiösen Werten, und zwar im Zusammenhang mit der Modernisierung Asiens. Veranstalter waren die Uno-Universität und die Sophia- Universität in Tokio, unterstützt von der Kulturabteilung des Vatikans, vertreten durch Kardinal Paul Poupard, und die „Weltkonferenz für Religion und Frieden“, vertreten durch ihren Präsiden ten N. Niwano und den 93jährigen Abt der buddhistischen Tendai- sekte, die dieses Jahr auf dem Berg Hiei bei Kyoto den 1200. Gedächtnistag der Gründung feiert.

In allen Voten fand der Gedanke Ausdruck, daß die verhängnisvolle Scheidung von Wissenschaft und Religion, die im Westen zu Beginn der Neuzeit die frühere enge Kooperation ablöste, nicht mehr dem Erkenntnisstand von heute entspricht.

Die Natur ist nach den Erkehnt- nissen der heutigen Physik ein viel komplizierteres Gebilde, als sich noch Albert Einstein verstellte, der mit Formeln und Gleichungen eine objektive Realität zu erfassen hoffte. Statt der drei Formen von Elementarpartikeln, die um 1920 bekannt waren, sind heute 61 im Gespräch; statt der drei Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig, sind heute mindestens sechs zu unterscheiden. Angesichts dieser Komplexität stellen sich ganz neue Probleme erkenntnistheoretischer Art, denen die alte Gegnerschaft von wissenschaftlichem Materialismus und religiösem Glauben und anderen geistigen Werten nicht mehr gerecht wird.

Schon das Elektron ist so organisiert, daß es nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit seine Bewegungsabläufe wählt: Das Gehirn entwickelt diejenige Entscheidungsmöglichkeit, die schon in seinen Molekülen angelegt ist

Das Universum ist also sinnvoll organisiert, es läßt der Entwicklung des Geistes Raum. Deshalb ist es zulässig, an ein höchstes, geistiges Prinzip, das im ganzen Universum wirkt, zu glauben. Deshalb könnte auch der Naturwissenschaftler grundsätzlich „verborgene Wirklichkeiten“ anerkennen.

Verschiedene Redner führten aus, daß die Spaltung zwischen Wissenschaft und Religion nur im Westen eintrat, und auch dort erst als Folge der Säkularisierung im 18. Jahrhundert Weder Islam noch der Ferne Osten nahmen diese Trennung vor. Auch im Westen ist heute die Bereitschaft vorhanden, vom rein Faktischen fortzuschreiten zur Frage nach dem Sinn der Phänomene. Hier öffnet sich ein Gebiet, in dem die Sympathie die kalte Beobachtung ergänzt, um hinter dem materiellen Substratum entsprechend dem Prinzip der Komplementarität und des Paradoxons eine verhüllte Realität zu ahnen.

Die Redner aus Asien spiegelten in ihren Beiträgen das Dilemma, daß die Wissenschaft für sie im westlichen Gewand, oft unter der Kolonialherrschaft, daherkam und deshalb negativ besetzt ist Viel zu reden gab daher, ob es heute noch sinnvoll sei, eine islamische Naturwissenschaft anzustreben, ob nicht vielmehr die wertvollen Traditionen der alten Völker, von den Ägyptern an, Aufnahme fanden in den heute geltenden Wissenschaften, die zwar im Westen ihre Ausprägung fanden, aber nicht ohne die Beiträge Asiens, die weitgehend von Arabern vermittelt wurden (Alchemie, Astrologie).

Aus den religiösen Traditionen des Ostens wie des Westens aber erhofften doch manche die Möglichkeit einer holistischen (ganzheitlichen) Wissenschaft, die aus Einsicht in ihre eigenen Grenzen dem Wertdenken, das vor allem von Religionen gewahrt wird, Raum öffnet.

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