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Im Salz geborgen

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Birgt das Salzbergwerk im oberösterreichischen Hallstatt nach wie vor prähistorische Bergleute? Am 1. April 1734 machte man dort jedenfalls einen schaurigen Fund: eine im Salz konservierte Leiche mit - laut Chronik - „noch etliche Flock (vom Rock) und Schuh an den Füssen.“ Doch weil der Pfarrer den Toten für einen vor 150 Jahren verschütteten, von einem bösen Geist besessenen katholischen Bergmann aus Salzburg hielt, ließ er ihn schleunigst begraben.

Wie aus zeitgenössischen Quellen hervorgeht, brachte man schon im 16. und 17. Jahrhundert im Salzkammergut mehrere vorzüglich konservierte Leichen von Knappen zutage. Sie waren ebenso wie der als „Mann im Salz“ in die Literatur eingegangene Tote von 1734 Opfer einer Grubenkatastrophe im 3. Jahrhundert v. Chr.

Den Bergbau hatten die Hallstät-ter bereits um 1000 v. Chr. aufgenommen, indem sie unter Tag reines Steinsalz in Brocken aus dem Haselgebirge (einem Gemisch aus Anhydrit, Polyhalit, Gips und Salzton) schlugen und in Tragkörben aus der Saline trugen.

Daß die Salzherren durch den weitreichenden Handel mit dem „weißen Gold“ reich geworden sind, beweisen die Grabbeigaben, im Gräberfeld von Hallstatt, die der Bergmeister und Bergrat Johann Georg Ramsauer entdeckt und bis 1863 - fünf Jahre vor Heinrich Schliemanns erstem Spatenstich in Troja - freigelegt hat.

Die kunstvoll gearbeiteten Schwerter, Dolche, Eimer, Kannen, Fibeln und Gürtelschnallen aus Bronze erlangten alsbald Weltberühmtheit. Der Fundort gab sogar der Epoche, aus der die Fundgegenstände stammen, den Namen Hallstattkultur. Die Wissenschaftler datieren diese in die Zeit zwischen 750 und 400 v. Chr. und verstehen darunter das Ende der Bronze- und den Anfang der Eisenzeit im Gebiet von Ostfrankreich, der Schweiz, Norditalien, Österreich, Süddeutschland, Teilen der ÖSSR, Westungarn und Nordjugoslawien.

Das mit dem Gräberfeld verbundene Salzbergwerk wurde erst ab 1915 untersucht. 1960 nahm Karl

Kromer von der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums, wo sich auch die meisten Schätze der Nekro-pole befinden, systematische Forschungen auf. Sein früherer Mitarbeiter, Fritz-Eckart Barth setzte mit Hilfe eigens zur Verfügung gestellter Bergleute die Grabungen fort, und sucht seither sowohl nach weiteren „Männern im Salz“ als auch nach deren Hinterlassenschaft. Dank neuerlicher Freilegung des sogenannten Kilb-Werkes, das wie jeder Hohlraum im Haselgebirge die Eigenschaft hat, sich nach relativ kurzer Zeit wieder zu schließen, konnte der Prähistoriker heuer in den Monaten September und Oktober genauin jenem Areal arbeiten, wo 1734 der einst verschüttete „Alte Mann“ entdeckt worden war und wo mittelalterliche Knappen bestens konservierte Verzimmerungen, Leuchtspäne, Werkzeuge, Tragsäcke, Bekleidungsreste und Exkremente ihrer Vorgänger gefunden hatten.

Da man damals weder erkannte, wie alt sie waren, noch wußte, welchen Wert sie für die Geschichtsforschung besitzen, warf man kurzerhand das gesamte aus dem „Heidengebirge“ herausgeholte Gerät der „Heiden“ weg.

Jetzt schält man gesichtete Überreste vorsichtig aus dem sie umgebenden Gestein heraus. Kromer und v, —.— \—■ — ■/ —~- ■---------

Barth taten das vor allem in der Nord- und Ostgruppe der Saline. Dabei stellten die beiden fest, daß das Salz in der Nordgruppe in Schächten abgebaut worden war, während man in der Ostgruppe Stollen angelegt hatte.

Das für den Abbau verwendete Werkzeug bestand in der Nordgruppe aus Pickeln mit langen, dünnen

Stielen, in der Ostgruppen hingegen aus solchen mit Schaffungen, bei denen der das Bronzebeil tragende Kopf keulenartig verdickt ist. Der sich im vorderen Drittel verjüngende Stiel gewährleistete eine gewisse Elastizität.

Die Mützen der Bergleute aus der Nordgruppe waren aus dreieckigen Fellstücken genäht und mit quastenartigen Lederriemen verziert. Die Kopfbedeckungen in der Ostgruppewaren aus Fell gefertigt und tellerförmig oder in Zipfeln auslaufend. Auch die Tragsäcke der Ostgruppe sind einfach und nichts weiter als lederne Schläuche. Die der Nordgruppe zeigen Verzierungen mit Riemen und bestehen aus auf Holzrahmen befestigtem Rinderfell.

Radiokarbon-Untersuchungen von Holzproben aus der Nord-, Ost-sowie der nicht mehr zugänglichen Westgruppe ergaben schließlich: Der „AlteMann“ hatteinder Westgruppe zwischen 100 v. Chr. und 100 n. Chr. das Salz abgebaut, in der Ostgruppe zwischen 700 und 200 v. Chr. und in der Nordgruppe zwischen 1000 und 770 v. Chr. -also in einer Zeit, da das Gräberfeld noch nicht belegt war.Warum der Abbau an verschiedenen Plätzen erfolgt ist, kann noch nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden.

In der Ostgruppe, in der das heuer von Barth unter die Lupe genommene Kilb-Werk liegt, gab man die Salzgewinnung wahrscheinlich wegen eines durch eine Mure ausgelösten Erdrutsches auf.

Obgleich die Fundgegenstände aus der Westgruppe auch für einen Bergbau in römischer Kaiserzeit sprechen, dürfte er wegen Unren-tabilität eingestellt worden sein. Erwähnt wurde die Salzgewinnung erst wieder 1311.

Einen „Mann im Salz“ fand man seit 1734 nicht mehr. Barth entdeckte jedoch innerhalb des während der letzten Grabungswoche auf 34 Laufmeter vorgetriebenen Stollens im Kilb-Werk immerhin einen Lederschuh aus dem 3. Jahrhundert vor Christus.

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