Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Im Schatten des Aquinaten
Das Erscheinen dieses Bandes gibt Gelegenheit, des 70. Geburtstages von Karl Rahner zu gedenken und diesem Theologen für die vielseitigen und tiefen Einsichten zu danken, die er auch den zahlreichen Lesern dieser Wochenzeitung geschenkt hat. Neben ihm gibt es keinen katholischen Theologen, der so viel Grundlegendes veröffentlicht und das kirchliche und katholische Selbstverständnis von heute so entscheidend geprägt hätte. Mit diesem Band dürften Rahners „Schriften zur Theologie“ ihren Abschluß gefunden haben, wird doch ein Register zu diesen Bänden in Aussicht gestellt. Inzwischen sind als Band 11 Rahners Untersuchungen zur frühen Bußgeschichte erschienen, ein wichtiges Spezialgebiet, das sich besonders an die Fachtheologen richtet. Den vorliegenden 10. Band jedoch präsentiert der Verlag mit Recht als „Gespräch mit der Zukunft“, obgleich sich hier nur wenige Beiträge finden, die sich thematisch und ausführlich mit dieser Frage befassen. Besondere Beachtung verdienen hier: „Künftige Wege der Theologie“ und „ökumenische Theologie der Zukunft“.
Die Fülle der behandelten Themen ist so überwältigend, daß es eine Zumutung wäre, die einzelnen Beiträge aufzuzählen. Wichtig ist, daß nahezu jeder Aufsatz einen aktuellen Gegenstand in der üblichen engagierten Weise behandelt, so die Frage: „Verharmlosung der Schuld in der traditionellen Theologie?“ oder der Beitrag zum Begriff „Zeugnis“ oder, nach den wiederholten Versuchen der letzten Jahre, die tieferen Einsichten in eine Theologie des Todes.
Unter den vielen Beiträgen über Anthropologie, Christologie, Ekkle-siologie und Ökumene ragen einige Arbeiten hervor, die den Rahner-schen Gedankenduktus besonders stark verspüren lassen und den Pastoralen Einsatz verraten. Erwäh-
nung verdienen die neuesten „Bemerkungen zum Problem der anonymen Christen“, in den Rahner auf den Widerstand von Hans Urs von Balthasar, de Lubac und Schille-beeckx Bezug nimmt, femer sein ausgefeilter Aufsatz „Selbsterfahrung und Gotteserfahrung“, seine befreienden Gedanken über Horizontalismus und Entmythologisie-rung und schließlich, im Zusammenhang mit einem heißumstrittenen Fragenkomplex, mehrere Beiträge und Diskussionen (gegen Küng) über Unfehlbarkeit, ergänzt durch Betrachtungen über Glaubenskongregation und Theologenkommission, deren Mitgliedschaft Rahner inzwischen aufgegeben hat. Man begegnet hier sogar einem aufrüttelnden Aufsatz über die „Unfähigkeit zur Armut in der Kirche“, und obwohl Rahner in einem Interview zu seinem 70. Geburtstag erklärt hat: „Ich bin kein Theologe der politischen Theologie im eigentlichen Sinn und ich bin kein Theologe der Befreiung“, möge man dennoch seinen Bemerkungen „Zur Theologie der Revolution“ volle Aufmerksamkeit schenken.
Da wir in diesem Jahr des 700. Sterbetages des Thomas von Aquin gedenken, verdient Rahners dreifache Stellungnahme zur Person und Lehre des Aquinaten volle Beachtung. Gerade sein „Bekenntnis zu Thomas von Aquin“ ist ein verhaltenes Loblied auf diesen Denker, „der es nicht für notwendig hält, die große Sache, von der er redet, durch große Worte noch größer zu machen“. Das ist unverfälschter Rahner, der hoffentlich noch Zeit und Kraft findet, um seinen alten Plan — eine systematische Darstellung der Theologie, also einen Grundkurs — verwirklichen zu könhen.
SCHRIFTEN ZUR THEOLOGIE. Von Karl Rahner. Band X. Benziger-Verlag, 590 Seiten.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!