6812765-1972_44_04.jpg
Digital In Arbeit

Im Süden viel Neues

19451960198020002020

Allüberall bemerkt man Schützengräben und Fronten, lärmend werden Niederlagen und neue Handstreiche hinausposaunt oder groß angekündigt. Wir sind mitten in einem Krieg, den man bald als 30jährigen etikettieren wird können — fast so lange nämlich tobt der österreichische Zeitungskrieg, diese österreichische Variante einer durchdachten Kommunikationspolitik. Und gewollte Kooperationen und/oder Zufallskoalitionen von Zei-tungstötern und ORF-Prüglern eskalieren den Konflikt zur umfassenden Medienkrise.

19451960198020002020

Allüberall bemerkt man Schützengräben und Fronten, lärmend werden Niederlagen und neue Handstreiche hinausposaunt oder groß angekündigt. Wir sind mitten in einem Krieg, den man bald als 30jährigen etikettieren wird können — fast so lange nämlich tobt der österreichische Zeitungskrieg, diese österreichische Variante einer durchdachten Kommunikationspolitik. Und gewollte Kooperationen und/oder Zufallskoalitionen von Zei-tungstötern und ORF-Prüglern eskalieren den Konflikt zur umfassenden Medienkrise.

Werbung
Werbung
Werbung

Sieht man vom bundesweiten ORF-„Kanibalismus“ einmal ab (siehe Seite 1), rückt das Zeitungsgeschehen im österreichischen Süden ins Zentrum des Interesses. Dort, in der Steiermark, ringen die Giganten des Ostens: Die „Kronen-Zeitung“ mit Chefredakteur Dichand und stellvertretend für den „Kurier“ die „Kleine Zeitung“ unter dem gemeinsamen Herausgeber Sassmann. Vorläufig letzter Höhepunkt der Schlacht um Marktanteil und Lesergunst — so man von der polizeilichen Durchsuchung des „Linzer Volksblattes“ (die quicke Juristen anordneten und die wohl Symbolwert für einen geänderten Regierungsstil besitzt) absieht — war die Beschlagnahme der „Kronen-Zeitung“ in der Steiermark. Durch eine „Einstweilige Verfügung“ gedeckt, sammelten Beauftragte des „Styria-Verlages“, der die „Kleine Zeitung“ herausgibt, mehr als drei Viertel der 8000 sonntäglichen Selbstverkaufstische der „Kronen-Zeitung“

ein und verwahrten diese vorläufig nebst den zugehörigen Kassen.

Die Kassen freilich waren leer, da die „Kronen-Zeitung“ im Steireranzug zur Einführung zum Nulltarif abgegeben wurde. In eben diesem Informationsdumping sahen die steirischen Verlage einen Verstoß gegen Bestimmungen des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, eine Rechtsansicht, die das Gericht mit der „Einstweiligen Verfügung“ quittierte. Die Betroffenen meinten, dies setze dem Konflikt wohl die Krone auf und erstatteten Diebstahlsanzeige. Womit wieder Gerichte in Zeitungskriegen zu entscheiden haben.

Dieses Scharmützel ist freilich nur Symbol für einen Konkurrenzkampf mit allen Mitteln. Da werden nicht nur ganze Redaktionen wechselseitig abengagiert und Schlemmerjausen verlost, sondern auch Ferienaufenthalte und schnelle Autos glücklichen Gewinnern zugeeignet. Die Geldlawine rollt. Dies alles spielt sich auf einer Ebene von ökonomischen Zwängen ab, die in den letzten Jahren acht Tages- und einundzwanzig Wochenzeitungen auf den Zeitungsfriedhof wandern ließen, von wo her übrigens „Kronen-Zeitung“-Chef Falk, auf Fortuna bauend, den „Kurier“ abzuholen sich bereit erklärte. Noch ist es nicht so weit, noch können beide hoffen.

Dieses Zeitungssterben vor der Zeit, anders gewendet: die Tendenz zur Durchmonopolisierung des Informationsmarktes wird nicht ohne Auswirkung auf die Demokratie bleiben, jene Regierungsform, die der unentwegten Kontrolle und Kritik durch alle Medien bedarf. So fordert der Zeitungsherausgeberverband in seinem jüngst erschienenen „Medienbericht“ ein ganzes Bukett von Maßnahmen der Presseförderung, die als oberstes Ziel die Erhaltung der Vielfalt der Presse und den Ausbau der Meinungspluralität haben.

Diese geforderten Förderungsmaßnahmen, die auf Chancengleichheit der Medien und eine Strukturreform des österreichischen Pressewesens zielen, umfassen neben dem Wunsch nach tariflicher und steuerlicher Erleichterung auch die Anregung, die Lesefreudigkeit des Österreichers zu heben und eine Journalistenausbildung zu institutionalisieren.

Gerade damit, mit dem Verhältnis des Lesers zu den Zeitungen und mit deren Niveau, beschäftigte sich auch der österreichische Akademikerbund im Verlauf einer Politischen Akademie in Oberösterreich.

Generalthema dieser Veranstaltung: „Die Öffentlichkeit als Wesenselement der Demokratie.“

Bei all den unterschiedlichen Meinungen und Diskussionsbeiträgen war dort eine Grundsorge immer präsent: Eine von Strukturproblemen bedrängte Presse, ein Informationswesen, dessen Anliegen sich in Marktanteilen und Bilanzen erschöpft, wird nicht in der Lage sein, die von der Demokratie geforderten Aufgaben wahrzunehmen; dies aber führt zu einer Deformation des Lesers, dessen verkürztes Demokratieverständnis die Demokratie als solche auf eine simple Zahlenrelation — im Extremfall 49 :51 — reduziert.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung