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Im Trend zur Privatisierung

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Wasserkraftwerke dienen mehreren Generationen, thermische Kraftwerke und Versorgungsnetze sollen wenigstens für ein Vierteljahrhundert Bestand haben. Wer diese Zeiträume überblickt, den hohen Kapitaleinsatz für den Bau der Anlagen erwägt und bedenkt, daß die Sicherstellung der Stromversorgung kein Augenblicksgeschäft, sondern eine Aufgabe und Herausforderung auf Dauer bedeutet, dem wird verständlich, daß Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU) sich wie schwere Schlachtschiffe im Meer der Zeiten bewegen. Kursänderungen, strukturelle Verschiebungen, verdienen daher Beachtung auch über den Kreis der unmittelbar Beteiligten hinaus.

Für die Vorarlberger Elektrizitätswirtschaft sind für 1988 gleich zwei bedeutsame Veränderungen zu registrieren:

• Als Abschluß einer langjährigen Entwicklung ist im Frühjahr die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk AG (RWE) aus dem Vertragswerk mit den Vorarlberger Iiiwerken (VIW) ausgeschieden und — ermöglicht durch die Novellierung des zweiten Verstaatlichungsgesetzes — wird das Land Vorarlberg im kommenden Monat Inhaberaktien der VKW im Gesamtnominale von 20 Prozent des Grundkapitals an private Interessenten verkaufen.

Mit dem Ausscheiden des deutschen Vertragspartners hat sich jenes Unternehmen aus Vorarlberg verabschiedet, dem ein Großteil der Impulse für den Ausbau der Wasserkräfte des Landes und den Aufbau des internationalen Verbundbetriebes zu danken ist. Neben der Energie-Versorgung Schwaben AG (EVS) sind daher nunmehr mit der Hälfte des RWE-Anteiles die Verbundgesellschaft und mit der anderen Hälfte die Länder beziehungsweise die Landesgesellschaften Vor-arlberg/VKW und Tirol/TIWAG neu beziehungsweise verstärkt an den Produktionsmöglichkeiten der Iiiwerke beteüigt.

In der gleichzeitig abgeschlossenen Vereinbarung wurden von der Landesgesellschaft Vorarlberg die aus dem rheinisch-westfälischen Anteil übernommenen Bezugsmöglichkeiten an Iiiwerkenergie gegen die Lieferung einer Energiemenge von jährlich rund 250 Millionen kWh in den

Winter- und Ubergangsmonaten durch die Schwaben abgetauscht. Die Stromversorgung Vorarlbergs in der kalten Jahreszeit wurde hiedurch langfristig zusätzlich abgesichert. Einmal mehr hat sich damit auch die großräumige grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Elektrizitätswirtschaft, die gegenseitige Ergänzung und Einsatzoptimierung von Wasser- und Wärmekraftwerken, als für alle Partner vorteühaft bestätigt. Mit seinen positiven Erfahrungen privaten Unternehmertums und einer eher skeptischen Grundeinstellung gegenüber staatlichen Aktivitäten und Obrigkeiten ist der Vorarlberger in besonderer Weise aufgeschlossen für die Privatisierung öffentlicher Unternehmen. Die Vorarlberger Landesregierung liegt daher, wie auch Meinungsumfragen bestätigen, im Trend, wenn sie im kommenden Monat ein Fünftel des Grundkapitals der VKW, an der das Land derzeit mit rund 96 Prozent beteiligt ist, veräußert. Eine breite Streuung der zum Verkauf gelangenden Inhaberaktien unter der Vorarlberger Bevölkerung liegt dabei im besonderen Interesse der Landesregierung und auch der Unternehmensleitung. Darüber hinaus soll den Betriebsangehörigen durch Zahlungserleichterungen der Erwerb von VKW-Aktien attraktiv gemacht werden.

Der Stromversorger und sein Kunde, das Unternehmen und sein Mitarbeiter sollen, dies ist ein wesentlicher Aspekt des Aktienverkaufs, einander näher kommen. Wachsendes Interesse für die Aufgaben der Elektrizitätswirtschaft und mehr gegenseitiges Verständnis sowie die Beteiligung am Unternehmenserfolg sollen helfen, Vorurteile abzubauen und ein weithin aktives Vertrauensverhältnis zu festigen und zu vertiefen.

Mit dem Verkauf von VKW-Aktien, mit dem erstmals in Österreich seit der Novellierung des zweiten Verstaatlichungsgesetzes Privataktionären die Möglichkeit zur Beteiligung an einem öffentlichen EVU geboten wird, leistet die Vorarlberger Landesregierung auch Schrittmacherdienste für die Heranführung einer breiteren Bevölkerungsschicht an den Kapitalmarkt. Die Aufgeschlossenheit für wirtschaftliche Zusammenhänge und die Fähigkeit, unternehmerisches Risiko zu erkennen und zu bejahen, werden allerdings nicht mit kurzatmigen Aktionen erreicht werden können. Sowohl für die Unternehmensleitung als auch für die öffentliche Hand als Mehrheitsaktionär werden daraus neue Aufgaben und Herausforderungen erwachsen.

Der Autor ist Generaldirektor der VKW.

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