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Im Warteraum vorm Brautgemach
Der EWR-Vertrag ist unter Dach und Fach und Österreich mit dabei. Was bedeutet die Teilnahme am Europäischen Wirtschaftsraum ab 1993? Von einem „Warteraum" sprechen die einen, in den Anwärter auf eine spätere Vollmitgliedschaft bei den Europäischen Gemeinschaften (EG) eingetreten seien. Andere gebrauchen das Bild der „Verlobung". Fassen wir beide Bilder in eins zusammen; Das Brautgemach der EG steht bereit, Österreich ist im Warteraum davor gelandet - als ernster Freier, nicht als Abenteurer. Rechte und Pflichten winken.
Ein viele Hunderte Seiten langer Vertrag läßt sich nicht in wenigen Zeilen beschreiben. Also muß man zu Vergröberungen greifen. Mit dem EWR-Vertrag übernimmt Österreich rund zwei Drittel des EG-Rechts. Darüber braucht (und kann) nicht mehr verhandelt werden (weshalb ja auch die Verhandlungen über den EWR so mühsam waren). Rund 140 Bundes- und 70 Landesgesetze müssen angepaßt werden.
Das bedeutet: Schon ab Jänner 1993 wird der Grundverkehr, das Niederlassungsrecht, das Wettbewerbsrecht, der Zugang zur gewerblichen Berufsausübung in allen 19 Ländern des EWR (zwölf EG- und sieben EFTA-Staaten) gleich sein.
Nicht erfaßt vom EWR-Vertrag sind die Landwirtschaft (aber da wurden für Österreichs Bauern einige günstige Sonderregelungen herausverhandelt) und die Handels- und Zollpolitik (es bleibt also vorläufig bei Grenzkontrollen). Frei sein werden schon ab 1993 der Personen-, der Dienstleistungs- und der Kapitalverkehr: ein spektakulärer Integrationsschritt!
Freilich: Zweitwohnsitze können von schutzwürdigen Gebieten auch künftig ferngehalten werden. Den Grundverkehr werden bald schon die Länder und nicht der Bund (schon gar nicht Brüssel) regeln. Österreichs Unternehmer werden in einen gewissen Konkurrenzdruck geraten (kleinere vor allem in Grenzgebieten), aber gleichzeitig auch selbst Chancen im bisherigen EG-Ausland erhalten. Massenwanderungen sind nicht zu erwarten, wie alle Erfahrung erweist: Von den 320 Millionen Bewohnern der EG-Staaten sind heute 13 Millionen Ausländer, davon nur vier Millionen Bürger anderer EG-Länder mit gleichen Rechten.
Der eben vereinbarte Transitvertrag hat für Österreichs Durchzugsrouten mehr gebracht, als man ursprünglich zu erhoffen wagte. Umweltschutz- und Sozialstandards werden sicher nicht abgesenkt werden. Und als Generalregel gilt: Die meisten Anpassungsprobleme hätten österreichische Betriebe auf jeden Fall. Ist man drinnen, kann man mitreden - ist man draußen, bricht es über einen herein. Die EG ist nicht Schicksal, sondern Chance. Wie eine Hochzeit halt.
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