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Im zweiten Anlauf zur Reifeprüfung

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Dem Gesetze nach sind sie eigentlich gar keine Schulen — die Maturaschulen. Im Grunde genommen sind es Vorbereitungskurse auf die Externistenmatura, denen das Offentlichkeitsrecht fehlt. „Wir streben dieses Recht aber durchaus nicht an, denn es würde bedeuten, daß unsere Lehrer ihre eigenen Schüler bei der Matura prüfen müßten”, stellt Peter Roland, Leiter der gleichnamigen Maturaschule in Wien, fest

Warum ist das kein Vorteil, fragt man sich unwillkürlich. Es ginge ein spezifischer Aspekt dieser Einrichtungen verloren: Lehrer und Schüler stehen sich nämlich nicht — wie es vielfach in allgemeinbildenden höheren Schulen scheint — als Gegner gegenüber. In der Maturaschule entscheidet nämlich nicht der Lehrer über den Prüfungserfolg.

Die Matura spielt sich nämlich außer Haus, vor einer staatlichen Prüfungskommission ab. Der Lehrer in der Maturaschule ist daher eher in der Position des Trainers und Partners.

Und wie spielt sich nun diese Externistenmatura ab? Da muß man zwischen Haupt- und Nebenfächern unterscheiden. Die Kenntnis in letzteren darf man in Einzelprüfungen nachweisen. Diese werden in Intervallen von zwei bis drei Monaten — wenn alles gut geht - abgelegt.

Ist das erledigt, kann man die eigentliche Matura anpeilen. Sie besteht aus einer schriftlichen

Prüfung in den vier Hauptfächern (unterschiedlich nach Schultypus, meistens sind es die Fächer Deutsch, Mathematik, Latein und Englisch) und aus einer mündlichen Prüfung in drei der Fächer.

Diesem Prüfungsschema ist auch die Vorbereitung in der Maturaschule angepaßt. Uber die ge- • samte Kursdauer werden die Hauptfächer unterrichtet und jeweils ein Nebenfach angeboten. Tritt also beispielsweise jemand im September in eine neue Klasse ein (vielfach besteht auch die Möglichkeit zwischendurch einzusteigen), so hat er neben den Hauptfächern Unterricht beispielsweise nur noch in Geschichte. Nach drei Monaten Geschichtsunterricht kann der Schüler eine Prüfung in diesem Fach ablegen. Besteht er sie, kann er von nun an auf Geschichte vergessen und sich ganz dem nächsten Fach, beispielsweise der Geographie, widmen, um auch sie nach weiteren drei Monaten mit Prüfung abzuschließen.

Wer bei einer Teilprüfung durchfällt, kann sie nach zwei Monaten wiederholen.

Der Stoff wird entweder in Tages- oder Abendkursen in Form von Unterrichtsstunden oder aber in Fernkursen schriftlich vermittelt. Die Tageskurse (Vor- oder Nachmittag) bieten fünfmal wöchentlich vier Unterrichtsstunden, die Abendkurse im allgemeinen fünfmal drei. Diese dauern daher meistens (aber nicht immer) mit 2,5 Jahren um sechs Monate länger als die Tageskurse. Für Schüler mit Vorkenntnissen aus höheren AHS-Klassen werden auch einjährige Kurse angeboten.

Offensichtlich ist also der Unterricht in der Maturaschule kürzer als in der höheren Schule. Wie ist das möglich? Da gibt es zunächst weniger Ferien (beispielsweise nur fünf Wochen im Sommer). Da müssen sich die Schüler in Hausaufgaben relativ intensiv selbständig mit der Materie auseinandersetzen.

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Fünf statt zwölf Fächer

Erleichtert wird das Ganze dadurch, daß jeweils höchstens fünf Fächer — in den letzten Monaten vor der Matura sogar nur die vier Hauptfächer—zu lernen sind. Das kommt vielen Schülern, die in der AHS gescheitert sind, zugute. In der höheren Schule muß man ja in zwölf oder mehr Fächern fortwährend am laufenden sein. Auch bietet der Prüfungserfolg in einem Nebenfach so manchem, der in der Mittelschule auf breiter Front gescheitert ist, Gelegenheit, neuen Mut zu schöpfen und neue Motivation aufzubauen.

Motivation ist ja der Schlüssel zum Erfolg schlechthin. Bei den gestrandeten Mittelschülern ist sie aber am wenigsten vorhanden. Hauptschüler und Berufstätige legen meistens viel mehr Eifer an den Tag. Wie können aber Eltern bisher lernunwilliger Jugendlicher herausfinden, ob es sich überhaupt lohnt, den Sprößling in eine Maturaschule zu schicken? Peter Roland empfiehlt, das Interesse durch Ablegen einer Prüfung in einem Nebenfach zu testen. Musik bietet sich dafür an.

Es ist ein Fach, das man nur aus Skripten lernen kann.

Natürlich kommen nicht alle zum Erfolg. Die Ausfallsquoten sind doch mit 30 bis 40 Prozent ziemlich hoch. Daher versuchen die Schulen auch mit unterschiedlicher Intensität die Schüler bei der Stange zu halten: Anwesenheitslisten, regelmäßige Schularbeiten sollen im Schüler das Bewußtsein stärken, daß laufendes Training wichtig ist.

Fernkurse basieren grundsätzlich auf demselben Programm, werden aber mittels Lehrbriefen, Tonkassetten und Ubungsmaterial abgewickelt. Auch hier liegt die Kursdauer zwischen zwei und drei Jahren, wird aber meist deutlich überschritten.

Zur Matura antreten darf man frühestens mit 18 Jahren. Wer allerdings in der Oberstufe durchfällt, darf erst zu jenem Termin maturieren, der bei Wiederholung der Klasse für ihn in Frage kommt Damit sind AHS-Schüler schlechter dran als Hauptschüler. Diese können mit 16 einen zweijährigen Kurs in der Maturaschule besuchen und mit 18 maturieren. Ein in der sechsten Klasse gescheiterter gleichaltriger Mittelschüler hingegen darf erst nach drei Jahren maturiern — auch wenn er alle Prüfungen besteht.

Schülern, die vor einem Scheitern in der AHS stehen, aber dennoch versuchen wollen, im zweiten Anlauf in der Maturaschule zum Erfolg zu kommen, ist daher folgendes zu raten: Wer vor der Jahresabschlußkonferenz (Mitte Juni) ohne negatives Zeugnis aus der öffentlichen Schule ausscheidet, bewahrt die Chance, in einem zwei- (ein)-jährigen Kurs in der Maturaschule das verpatzte Jahr nicht zu verlieren.

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