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Immer wieder Hindernisse

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Seit Dezember 1969, da der EWG-Ministerrat die Tür zu Beitritts- und Assoziierungsverhandlungen öffnete, hat eine ununterbrochene Kette von Konferenzen zuerst zu den Beitrittserklärungen von Großbritannien, Dänemark, Norwegen und Irland am 22. Jänner 1972 geführt. In Verhandlung steht gegenwärtig ein sogenanntes Globalabkommen für die drei neutralen Staaten, während bezüglich der übrigen EFTA-Staaten Portugal, Finnland und Island noch keine nennenswerten Aktivitäten entfaltet wurden. Die Frage, die sich für uns nun unmittelbar stellt, ist die nach dem weiteren Schicksal der österreichischen Integrationsbemühungen. Die von Österreich gegenüber der EWG seit 1963 verfolgte Politik fand in dem erwähnten Beschluß der EWG von Dezember 1969 insofern ihren Niederschlag, als sich die EWG zum Abschluß eines Interimsabkommens mit Österreich bereit erklärte, demzufolge eine vorzeitige Teillösung mit Österreich in Aussicht gestellt wurde. Zu diesem Interimsabkommen ist es nicht gekommen, weil nach österreichischer Auffassung der Inhalt dieses Anbotes infolge des Ausschlusses wichtiger österreichischer Exportwaren und komplizierter EWG-Wünsche betreffend den Mechanismus der mit jeder Freihandelszone notwendigerweise verbundenen Ursprungszeugnisse zu dürftig gewesen wäre. Über die Zweckmäßigkeit der Ablehnung des Interimsabkommens gehen die Meinungen allerdings auseinander. Wer den Mechanismus der EWG kennt, weiß, welch große Bedeutung es gehabt hätte, wenigstens „den Fuß im Türspalt zu haben“. Außerdem wäre es eine politische Chance für Österreich gewesen, gegenüber der skeptischen Haltung der sowjetischen Regierung zum österreichischen Integrationsproblem einen neuerlichen handfesten Beweis zu erbringen, daß die österreichischen Integrationsbemühungen den Status unserer Immerwährenden Neutralität ebensowenig beeinflussen wie die Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag. Daß man die Chance nicht genützt hat, ist bedauerlich.

Der weitere Weg wird vorerst für die drei Neutralen ein gemeinsamer sein müssen. Die EWG schlägt unter dem Titel eines „Glofoalabkommens“ eine Freihandelszonenlösung vor, die allerdings mehr als einen Schönheitsfehler aufweisen würde, wenn es nicht gelingen sollte, diesen Vorschlag wesentlich zu verbessern. Zunächst ist es das Problem der sogenannten sensiblen Produkte, eine bedeutende Gruppe österreichischer Exportwaren wie Stahl und Papier, die in die Freihandelszonenlösung vorläufig noch nicht einbezogen werden soll. Diese schmerzliche Einschränkung der Öffnung des Gemeinsamen Marktes für die Volkswirtschaften der drei neutralen Staaten geht ahne Zweifel auf die protektionistischen Tendenzen gewisser Industriegruppen in den EWG-Staaten zurück und könnte von diesem Standpunkt aus vielleicht noch als erklärlich angesehen werden. Betrachtet man aber die quantitativen Verhältnisse, das heißt den Einfluß, den der Export dieser österreichischen sogenannten sensiblen Produkte auf den Markt der Europäischen Gemeinschaften haben könnte, so ist die protektionistische

Tendenz seitens der EWG einfach lächerlich.

Der zweite .Schönheitsfehler“ ist der totale Ausschluß der Landwirtschaft von der Freihandelszonenlösung. Hier ist allerdings festzuhalten, daß die Einbeziehung der Agrarprodukte in eine Freihandelszone ohne Harmonisierung der Agrarmarktordnung nicht möglich ist. Solange also die österreichische Landwirtschaft, die ja an einer Integrationslösung auch höchst interessiert ist, ihre Marktordnung nicht mit jener der EWG harmonisiert, wird sie keine echte Integrationslösung erwarten dürfen. Der vom Schreiber dieser Zeilen wiederholt gemachte Vorschlag, daß die österreichische Agrarmarktordnung in völlig autonomer Weise durch österreichische Gesetze mit jener der EWG harmonisiert werden sollte, ist bisher ungehört verhallt. Der Ausweg, den man durch Einräumung zollbegünstigter Kontingente für bestimmte agrarische Exportgüter sucht, ist kein Ersatz für eine Integrationslösung.

Dieses von der EWG angepeilte Globalabkommen hat aber, wie sein Name schon sagt, noch eine andere besondere Eigenschaft. Es soll ein für die drei neutralen Staaten gleichlautendes Abkommen werden, und darin liegen neue Schwierigkeiten begründet. Die wirtschaftlichen Beziehungen Österreichs zur EWG sind von denen der Schweiz und Schwedens wesentlich verschieden. Österreich exportiert noch immer 40 Prozent in die EWG-Staaten (ohne die Beitrittskandidaten) und bezieht 58 Prozent seines Imports aus diesem Bereich. Die analogen Ziffern der beiden anderen neutralen Staaten sind wesentlich geringer und lassen sich damit gar nicht vergleichen. Dazu kommt, daß auch die politische Situation der drei Neutralen eine unterschiedliche ist. Schweden wünscht eine wesentlich engere Bindung mit der EWG als nur eine — noch dazu mit Ausnahmen versehene — Fredhandels-zonenlösung, und die Schweiz hat für jede Form der Assoziierung verfassungsrechtliche Schwierigkeiten, über deren Überwindung man sich noch lange nicht im klaren ist. So sitzen die drei Neutralen heute in einem Boot, ohne das gleiche Ziel zu haben beziehungsweise mit verschiedenen Möglichkeiten ein befriedigendes Ergebnis anzusteuern. Der schwedische Handelsminister hat bei seinem jüngsten Besuch in Wien auch deutlich erklärt, daß ein gemeinsames Vorgehen seines Landes mit Österreich und der Schweiz nur in der ersten Verhandlungspihase erwartet werden könne, dann aber werde Schweden seinen eigenen Weg gehen.

Faßt man das alles zusammen, so ist der nun beschrittene Weg mit vielen Hindernissen gepflastert. Immerhin aber muß festgestellt werden, daß es endlich ein Anfang ist und man eben zusehen muß, das Bestmögliche aus einer Situation herauszuholen, die nicht von Österreich oder den anderen Neutralen, sondern von der EWG konstruiert wurde. Immerhin wird jedes Ergebnis, das erreicht werden kann, wertvoll sein, weil es als ein Anfang gewertet werden darf. Was in der EWG einmal erreicht wurde, hat sich immer noch weiter entwickelt.

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