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Immerhin: kleine Erfolge

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Als in den Vorweihnachtstagen die Generalversammlung der Vereinten Nationen sich vertagte und die Delegierten aus 132 Staaten in ihre Länder zurückkehrten, wußte nur ein verschwindend kleiner Teil der amerikanischen Öffentlichkeit, daß diese Hauptversammlung der UNO überhaupt durch Wochen am East River getagt hatte. Sicherlich trifft dafür die Presse ein gewisses Verschulden, weil sie vor allem vordergründige Ereignisse behandelt. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß in den Augen der überwiegenden Mehrheit der Amerikaner die Vereinten Nationen ein Synonym für Handlungsunfähigkeit geworden sind.

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Als in den Vorweihnachtstagen die Generalversammlung der Vereinten Nationen sich vertagte und die Delegierten aus 132 Staaten in ihre Länder zurückkehrten, wußte nur ein verschwindend kleiner Teil der amerikanischen Öffentlichkeit, daß diese Hauptversammlung der UNO überhaupt durch Wochen am East River getagt hatte. Sicherlich trifft dafür die Presse ein gewisses Verschulden, weil sie vor allem vordergründige Ereignisse behandelt. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß in den Augen der überwiegenden Mehrheit der Amerikaner die Vereinten Nationen ein Synonym für Handlungsunfähigkeit geworden sind.

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Daß die UNO kein schlagkräftiges Instrument zur Lösung ernster Krisen ist, weiß heute jeder, der die Geschichte der großen internationalen Konflikte von Berlin über Kuba bis Vietnam studiert hat. Wenn vitale Großmachtsinteressen auf dem Spiele stehen, ist die Charter der Vereinten Nationen kein Orientierungspunkt. Freilich gewährt das immer offene Konferenzzimmer des Sicherheitsrates ein beruhigendes Gefühl. Man kann Zeit gewinnen, wenn man in Wahrheit gar nicht schießen will.

Nun hatte man aber gehofft, daß Themen und Anliegen von allgemeiner Gültigkeit, wie etwa das zuletzt in der Generalversammlung behandelte Phänomen des internationalen Terrorismus, wenn schon nicht einer praktischen Lösung zugeführt, so doch formell verurteilt werde. Daß sich also die divergierenden Interessen zumindest auf einer moralischen Plattform zusammenfänden. Generalsekretär Waldheim hatte unter Einsatz seines Prestiges die Behandlung dieses Themas durchgesetzt, weil er, abgesehen von der Aktualität, genau weiß, daß die UNO greifbare Erfolge braucht.

Doch selbst in dieser Frage gab es keine Einigung. Die arabischen Nationen wollten die Morde von München nicht schlechthin v.xerufteiten. und fordern vielmehr eine Analyse der Motive des Terrorismus, während einige afrikanische Nationen eine Verurteilung ablehnten, weil sie befürchteten, dies könnte ihre „Freiheitsbestrebungen“ in den portugiesischen Uberseeprovinzen, zu deutsch ihre Invasionsversuche diskriminieren. So ist auch das Problem dieser menschlichen Verirrung, das in den Augen eines normal Denkenden, gleichgültig welcher Hautfarbe, Abscheu und Ablehnung hervorrufen sollte, an einen Ausschuß verwiesen worden, bei dem es das Schicksal unzählbarer anderer wohlgemeinter Initiativen teilen wird.

Man darf sich daher am East River nicht wundern, wenn der Ruf nach Einsparungen, der jetzt in Washington deutlich zu vernehmen ist, fast Einstimmigkeit fand, als es um den Jahresbeitrag Amerikas zum regulären Budget der Vereinten Nationen ging. Mit überwiegender Mehrheit beschloß der Kongreß die Reduzierung des amerikanischen Jahresbeitrages von 31 auf 25 Prozent.

Formell war das ein Willkürakt und ein Verstoß gegen die akzeptierte Bemessungsgrundlage, wonach die Beitragsleistung einer Nation nach deren Pro-Kopf-Einkommen bemessen wird. Demzufolge müßten die USA 38 Prozent des UNO-Budgets bestreiten. Aber die amerikanischen Abgeordneten argumentierten, die USA hätten anfänglich sogar 50 Prozent des Gesamtbudgets getragen, sie leisteten jetzt weitere 400 Millionen jährlich an freiwilligen Beiträgen und man könne die amerikanischen Statistiken, nach denen sie bemessen werden, nicht mit jenen der Ostblockstaaten vergleichen. Schließlich gebe es auch eine Bestimmung, der-zufolge die Vereinten Nationen nicht von einem einzelnen Mitglied finanziell abhängig werden sollten. Politisch war es jedenfalls goldrichtig, daß der Finanzausschuß der UNO den amerikanischen Kongreßbeschluß akzeptierte und damit eine Diskussion abschloß, die für das Ansehen der Vereinten Nationen in den Staaten noch abträglicher hätte werden können. Noch sind die Sowjets im Zahlungsverzug, weil sie gewisse UNO-Operationen nicht billigten und daher nicht bezahlen wollen, noch sind die Freudentänze unvergessen, die einige afrikanische Delegierte aufführten, als die amerikanische Abstimmungsniederlage bei der Aufnahme Rotchinas evident wurde. Schließlich wird auch die Beitragsleistung der in Kürze als Mitglieder beitretenden beiden Deutschland den finanziellen Ausfall leicht wettmachen.

Nun ist aber durchaus nicht alles negativ, was auf dieser Generalversammlung geschehen ist. Die neue Sekretariatseinheit für Umweltschutz in Nairobi ist sicherlich ein konstruktiver Beschluß, ebenso' Vorbereitungen für die GATT-Verhand-lungen über Industriezölle. Eine Politik der kleinen Erfolge ist notwendig, um die Glaubwürdigkeit graduell und langsam — zumindest in der amerikanischen Öffentlichkeit — wieder herzustellen.

Natürlich sieht eine Einrichtung von der Komplexität der UNO von innen anders aus als von außen. Wer immer als amerikanischer Botschafter am East River tätig war, hat zuletzt ebenso UNO-Interessen in Washington wie USA-Interessen bei der UNO vertreten. Der amerikanische UNO-Botschafter hat ja auch als einziger USA-Botschafter Kabinettsrang! Die „New York Times“, Anhänger einer aktiveren UNOPolitik Amerikas, werfen Nixon vor, er demonstriere sein Desinteresse-ment, indem er nun zu Beginn seiner zweiten Amtsperiode den Botschafter bei der UNO, Bush, abberufe und ihn zum Generalsekretär der Republikanischen Partei mache, als wollte er sagen: „Du bist mir für den East River zu gut!“ Diese Interpretation ist jedoch unrichtig. Denn der Nachfolger Bushs, John Scali, kommt aus der unmittelbaren KissingerEntourage, war mit Nixon in Peking und Moskau und weiß daher mehr über weltpolitische Zusammenhänge als ein Karrierediplomat des State Departments. Diese Ernennung sollte daher nicht als Ab- oder Aufwertung der Vereinten Nationen interpretiert werden, sondern als Beweis des aktiven Interesses an einem außenpolitischen Apparat, sofern dieser praktische Lösungen über fruchtlose Diskussionen stellt.

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