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Immerwährendes Salzburg

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Seit es die Salzburger Festspiele gibt, also seit über siebzig Jahren, erregen sie Bewunderung und Begeisterung, aber auch Kritik und Widerspruch. Zu den prominentesten Gegnern der Salzburger Festspiele gehörte Karl Kraus, der ein geschworener Feind von Hugo von Hofmannsthal und anderer Initiatoren der Festspielidee war und dem es vor allem der „Jedermann" negativ angetan hatte. Karl Kraus verstieg sich sogar zu der pointierten Bemerkung, der liebe Gott sei aus Protest gegen die Salzburger Festspiele wahrscheinlich schon aus der katholischen Kirche ausgetreten.

Doch trotz aller Kritik, die von dieser und anderer Seite immer wieder laut wurde, darf man die Fragen stellen: Was wären die Salzburger Festspiele ohne den „Jedermann" und was wäre Salzburg ohne seine Festspiele, die mittlerweile nicht nur die sommerlichen Haupt-, sondern auch die österlichen und pfingstlichen Nebenfestspiele umfassen?

Die Kritik an den Salzburger Festspielen kommt aber neuerdings nicht nur von übelwollenden Außenseitern und Negierern der Festspielidee wie Karl Kraus einer war, sondern auch von innen, ja sogar vom künstlerischen Leiter dieser zur Institution gewordenen Festspiele. Und es ist durchaus berechtigt, wenn jemand, der es wissen muß, über die kommerzielle Überwuche-

rung und die Dominanz der Schallplattenindustrie Klage führt. In der Tat ist es in der Ära Karajan, der nicht nur ein begnadeter Interpret, sondern ein mindestens ebenso guter, ja gerissener Geschäftsmannn war, zu einer zu weit gehenden Verquik-kung des Künstlerischen mit dem Finanziellen gekommen.

Es ist legitim, wenn gerade von kompetenter Seite auf diese unerfreulichen Begleiterscheinungen aufmerksam gemacht wird. Auch die gesellschaftliche Seite der Festspiele, die nun eben auch dazugehört, sollte sich der künstlerischen Hingabe unterordnen und nicht umgekehrt.

Doch wer wollte deshalb, weil es an Wallfahrtsorten Devotionalienkitsch, Geschäftstüchtigkeit und Rummel aller Art gibt, die Idee der Wallfahrt ablehnen oder den ungezählten Pilgern den guten Glauben und Willen absprechen, der sie zum Heiligtum führt? Und so wird auch die immerwährende und jung bleibende Idee der Festspiele, die Hugo von Hofmannsthal und Max Reinhardt ins Leben gerufen haben, stark genug sein, die Auswüchse des Menschlichen, Allzumenschlichen, die sich an diese Idee heften, zu überstrahlen und der Institution zu jener Regeneration zu verhelfen, derer sie bedarf, um immer weiter zu wirken und die hohe Botschaft der Kunst an die Menschen von nah und fern heranzutragen.

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