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In alten Bahnen

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Die jüngsten Ereignisse im Tschad, in die auch Paris mit recht massiven Waffenlieferungen eingegriffen hat, lassen erkennen, daß entgegen verschiedener Ankündigungen die Afrikapolitik Frankreichs in traditionellen Bahnen geblieben ist.

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Die jüngsten Ereignisse im Tschad, in die auch Paris mit recht massiven Waffenlieferungen eingegriffen hat, lassen erkennen, daß entgegen verschiedener Ankündigungen die Afrikapolitik Frankreichs in traditionellen Bahnen geblieben ist.

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Es ist recht bezeichnend, daß unmittelbar nach dem Vormarsch des von Libyen unterstützten ehemaligen Tschad-Präsidenten Goukouni Weddei im Norden des Landes der französische Präsident die Staatsoberhäupter dreier gemäßigter afrikanischer Staaten - Elfenbeinküste, Nigeria und Togo — zu einem Arbeitsessen empfing, um sich mit ihnen über die neue Lage zu unterhalten. Die bei dieser Gelegenheit zum Ausdruck gebrachten Befürchtungen über die expansionistischen Ziele Libyens blieben bestimmt nicht ohne Auswirkungen auf seine Entscheidungen.

Frankreich ist sich seiner Verantwortung für die Stabilität des schwarzen Erdteils völlig im klaren. Zwar nicht gegenüber dem Tschad, sondern gegenüber seinen Nachbarn übernahm Paris eine militärische Beistandsverpflichtung zur Bewahrung der Integrität ihrer Grenzen und der inneren Stabilität gegen äußere Gefahren. Wiederholte französische Bemühungen um eine Normalisierung des Verhältnisses zu Libyen lösten in Afrika nicht unerhebliches Mißtrauen aus.

Der jüngste Staatsbesuch Mit- terrands in Kamerun diente nicht zuletzt der Beruhigung dieses Landes, das Libyen die Absicht unterstellt, einen bedeutenden Teil des schwarzen Erdteils mit allen Mitteln destabilisieren zu wollen. Frankreich kann zwar einen etwaigen Zusammenbruch des jetzigen Regimes des Tschad nicht verhindern, wenn es nicht mehr über die erforderliche innere Kraft zum militärischen Widerstand verfügt. Es darf sich aber nicht dem Vorwurf aussetzen, für dessen Fehlschlag auch nur teilweise verantwortlich zu sein, wenn es nicht sein Prestige und seinen zukünftigen Einfluß aufs Spiel setzen will.

Die afrikanische Abneigung gegenüber Libyen wird nicht durch die politischen Tendenzen der einzelnen Regierungen beeinflußt. Denn alle Regime wünschen unbedingt die Aufrechterhaltung des jeweiligen Status quo.

Der libysche Expansionismus hat System und muß daher sehr ernst genommen werden. In den zurückliegenden Monaten hatte der eifrige und unberechenbare Gaddafi einen Teil der Regierung Obervoltas für sich gewonnen und in der Zentralafrikanischen Republik durch rund hundert Militärberater Fuß gefaßt. Hiermit streckte er seine politischen Füh ler nach dem Westen und dem Süden Afrikas aus.

Diese beiden Positionen hätten ihm Infiltrationen in die Elfenbeinküste, Senegal und sogar Zaire ermöglicht. In seiner politischen, ehrgeizigen Schußlinie befindet sich auch Mali neben dem angrenzenden Niger. Eine etwaige Kontrolle des Tschad würde ihm ferner gestatten, starken Druck auf Sudan und Ägypten auszuüben.

Der Herr Libyens träumt nicht nur von einem großen Sahara- Reich, das sich nicht zuletzt zu Lasten Algeriens und Marokkos vom Indischen Ozean bis zum Atlantik erstreckt, sondern auch von der Mobilisierung der Anhänger des Islams für seine Zwecke im schwarzen Afrika.

An der Verdrängung der pro- libyschen Elemente von der Macht in Obervolta und der Ausweisung der libyschen Militärberater aus der Zentralafrikanischen Republik war Frankreich natürlich nicht unbeteiligt:

Als Gaddafi vor einigen Jahren durch Infiltration die Sicherheit des Sudans gefährdete, lieferte Paris diesem Land Waffen, die — wie man annehmen darf—von Su- di-Arabien bezahlt wurden. Schließlich soll der Sudan für die arabischen Golfstaaten zur Getreidekammer werden. Außerdem würde ein Vordringen Libyens das Gleichgewicht innerhalb der arabischen Welt bedenklich erschüttern. Für Frankreich ist es schließlich ein gewisser ideologischer Trost, daß selbst das sich gern revolutionär gebende Algerien über die libyschen Umtriebe beunruhigt ist und mit einer harten Gegenaktion durchaus einverstanden zu sein scheint.

Dies ändert nichts daran, daß sich Paris sehr deutlich von einer Afrikapolitik entfernte, die die revolutionären Kräfte fördern wollte und sich von einer sozialistischen Missionsidee ohne Rücksicht auf die afrikanischen Realitäten inspirieren ließ. Sehr schnell verlor aber der erste sozialistische Minister für Entwicklungshilfe, Jean-Pierre Cot, seinen Kredit. Ohne Rücksicht auf die ihn in der sozialistischen Par tei unterstützenden Kräfte mußte ihn Mitterrand ausbooteij.

Sein Nachfolger beschränkt sich weitgehend auf die Verwaltung der Entwicklungshilfe, während sich alle politischen Fäden in der Hand des Sonderbeauftragten des Präsidenten in Afrika, Guy Penne, befinden, der eng und vertrauensvoll mit dem realistischtraditionell denkenden Außenministerium zusammenarbeitet.

Die Afrikapolitik ist der einzige Bereich, in dem nur ein einziger Berater des Staatspräsidenten zuständig ist, während für alle anderen Fragen jeweils mehrere Köche tätig sind und sich daraus allerlei Widersprüche ergeben. Zudem besitzt Penne eine Bewegungsfreiheit, die bisher keinem anderen Mitarbeiter des Präsidenten zugestanden wurde.

Ein wesentlicher Faktor ist schließlich die enge Zusammenarbeit mit den USA, sowohl gegen den libyschen Expansionismus wie im südlichen Teil des Kontinents. Washington stellt den französischen Einfluß in zahlreichen Hauptstädten gebührend in Rechnung, ebenso wie die französischen Erfahrungen, so daß es Ratschlägen durchaus zugänglich ist. Auf diese Weise vermittelt es dem Partner das Gefühl der Gleichberechtigung.

Nach einer vorbereitenden Phase, in deren Verlauf die französische Diplomatie eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt hatte, werden jetzt allerdings die Verhandlungen über die Verwirklichung der Unabhängigkeit Namibias und den Abzug der kubanischen Truppen aus Angola von Washington direkt mit der angolanischen Regierung geführt. Ebenso wie die sogenannten Frontstaaten wartet Frankreich auf ihr Ergebnis, wobei es sich allerdings augenblicklich weniger zuversichtlich zeigt als die Verwaltung in Washington.

Auch in dieser Zone geht es um die Bewahrung der Stabilität des Kontinents und um die Überwindung einer schwerwiegenden Wirtschaftskrise. Aus beiden Gründen sind die revolutionären Regime recht gemäßigt geworden.

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