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In Christus verankert

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Etwa zwei Jahre lang haben sich die Diözesen Österreichs auf den Katholikentag vorbereitet. Vieles wurde organisiert, vieles wurde neu überdacht. Heute ist allen Verantwortlichen klar, daß wir in diesen Tagen keinen krönenden Abschluß feiern können, sondern bestenfalls den Beginn eines neuen Weges.

„Hoffnung leben - Hoffnung geben“ war und ist unser Motto. Sind wir in unserer Heimat das Salz der Erde, das Licht der Welt? Wir wissen um die vielfältige Not in unserem eigenen Land, wir wissen um die Not der von Armut und Katastrophen heimgesuchten Menschen dieser

Erde. Es bedrückt uns der Niedergang, der Zusammenbruch von Moral und Sitte im öffentlichen und privaten Leben. Wir wissen um die bedrohenden dunklen Wolken am Horizont.

Wie zur Zeit des Propheten Jesaja braucht Gott auch heute Menschen, die ihren Mitmenschen glaubwürdig seine Botschaft weitersagen und Vorleben: „Ich bin der Herr, dein Gott, der deine rechte Hand ergreift und der zu dir sagt: Fürchte dich nicht, ich werde dir helfen!“

Gottes Botschaft haben die meisten schon einmal gehört. Aber heute, jetzt brauchen sie Menschen, die ihnen diese Botschaft im Vertrauen auf Gottes Kraft Vorleben. Nur eine gelebte Hoffnung wird elfte leben-’ dige Hoffnung. Ich brauche keine großen Worte zu machen. Es mag wohl genügen, wenn ich nochmals auf den ersten Johannesbrief hinwei- se:

„Wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht. Und dieses Gebot haben wir von ihm: Wer Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben.“

Brüder, Schwestern in Österreich, wir müssen die Botschaft des Kreuzes neu verstehen lernen! In den letzten Jahrzehnten haben wir „Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ auf ein wenig Humanismus und Gutsein zueinander reduziert. Schauen wir uns das Abzeichen des Katholikentages noch einmal an, fragen wir uns noch einmal, was das Kreuz uns sagt!

Der Längsbalken erinnert uns an die Dimension Gott und Welt, Schöpfer und Geschöpf. In der Erde verwurzelt, ragt er in die Höhe, sucht der Mensch den Himmel. Oder in der änderen Richtung: Von Gott her ist der Längsbalken tief in die Erde getrieben, tief im Geschick des Menschen verankert, im Leben des einzelnen und in der Geschichte der Glaubenden.

Der Querbalken bedeutet die Dimension unserer Welt. Der Mensch ist mit ihr verflochten, ist zutiefst ein Teil dieser Welt, der einzelne genauso wie die ganze Kirche. So laufen wir aber auch immer Gefahr, im irdischen Besitz, im irdischen Streben nach Karriere und Macht die andere Achse zu vergessen: den Längsbalken, der uns Gottes Richtung weist.

Das gilt auch für die Kirche. Der organisierte Dienst an den Brüdern droht immer wieder zur Bürokratie zu erstarren. Die Liebe wird zum Sozialbeitrag, die provozierende Botschaft Christi zur bloßen Katechismusweisheit und „Diskussionsgrundlage“. Schluß mit dem veralteten Kirchenbild! Kirche sind nicht nur die Bischöfe, eine distanzierte Institution, Kirche sind wir miteinander, als Getaufte sind wir alle gleich und miteinander verbunden. Wir Bischöfe haben als Nachfolger der Apostel die letzte Verantwortung in der Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe.

Wo Längs- und Querbalken des Kreuzes zusammengefügt sind, dort finden wir Christus, den Gott und Menschen. In ihm treffen wir alle Leidenden und Geschundenen dieser Welt. Wenn wir auf dem Weg des Glaubens ihn suchen, begegnen wir allen Leidenden, allen Menschen in Not, die in Hunger und Durst, in Hoffnungslosigkeit und Todesnot sind. Ihnen müssen wir Hoffnung geben.

Wir können ihnen diese Hoffnung aber nur dann geben, wenn wir selbst eine Hoffnung haben, aus der wir le- ben und sichtbar leben. Unser Katho- likentägssymbol hat zu Füßen den Anker, das Zeichen der Hoffnung aus dem Glauben. In unserem Leben muß Tag für Tag, in der Familie und am Arbeitsplatz, im Denken und Tun sichtbar werden, daß dieser Gekreuzigte auferstanden ist, daß Jesus Christus unser lebendiger Herr und Gott ist.

Es muß erfahrbar werdten, daß wir in ihm endgültig im Reich Gottes verankert und geborgen sind. Wenn wir in diesem Glauben die Situation unserer Mitmenschen sehen, wenn wir ihnen aus diesem Glauben daran in ihren verwundeten Herzen verankern, daß es einen Gott gibt, der sie liebt.

Meine Brüder und Schwestern, ich bitte Sie: Schöpfen Sie aus diesen festlichen Tagen die Kraft, Ihren Glauben wieder neu und tiefer und bewußter aufzunehmen. Schauen wir in allem Leid dieser Welt auf unseren auferstandenen Herrn Jesus Christus. Er ist unsere Hoffnung, ihn bitten wir: „Hilf, Herr meines Lebens, daß ich nicht vergebens hier auf Erden bin! Hilf, Herr meiner Seele, daß ich dort nicht fehle, wo ich nötig bin!“

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