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In den sechziger Jahren steckengeblieben ?

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Die Schulreform ist in ein entscheidendes Stadium getreten. Das Parlament wird schon in nächster Zeit zu den Vorstellungen der Unterrichtsverwaltung und des Unterrichtsministers Stellung nehmen müssen. Ist der eingeschlagene Weg der Reformen sinnvoll und inwieweit ist er richtig? Wir bringen eine Auswahl von Meinungen zu diesem Thema.

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Die Schulreform ist in ein entscheidendes Stadium getreten. Das Parlament wird schon in nächster Zeit zu den Vorstellungen der Unterrichtsverwaltung und des Unterrichtsministers Stellung nehmen müssen. Ist der eingeschlagene Weg der Reformen sinnvoll und inwieweit ist er richtig? Wir bringen eine Auswahl von Meinungen zu diesem Thema.

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Die Schulreform zielt im Augenblick einseitig auf die Gesamtschule der Zehn- bis Vierzehnjährigen, wie sie das Schulprogramm der SPÖ fordert. Die Aufnahmsprüfung soll abgeschafft werden. Die Empfehlung des Volksschullehrers für den Ersten Klassenzug der Hauptschule soll automatisch zum Besuch der Allgemeinbildenden Höheren Schule berechtigen. Zur Behebung des Mangels an Schulraum und Professoren, den dieser ungehemmte Zustrom noch verschärfen würde, schlägt man vor, die neuen Klassen der AHS in Hauptschulgebäuden und zum Teil von Hauptschullehrern unterrichten zu lassen. Als flankierende Maßnahme für eine solche Einführung der Einheitsschule auf kaltem Weg will das Ministerium die entsprechenden Schulversuche auf 20 Prozent aller Klassen ausdehnen. Können sich die Schulpolitiker dabei auf die Wünsche der davon Betroffenen und auf die Billigung der Unterrichtspraktiker berufen? Elternvertreter und Professoren haben am 13. Dezember 1970 in Salzburg einen „Arbeitskreis zur Sicherung der Langform der höheren Schule und der humanistischen Bildung gegründet, der den niveausenkenden Tendenzen der offiziellen Schulreformer entgegenwirken will. Am 4. März 1971 hat sich im Auditorium maximum der Wiener Universität auch der Wiener Landesverband dieser Bewegung konstituiert.

Heute versucht der einzelne mit möglichst geringen Anstrengungen und möglichst spezialisierter Ausbildung möglichst rasch den möglichst größ ten materiellen Ertrag seiner Anstrengungen und seiner Ausbildung zu erzielen. Dieses Ziel vermittelt ihm eine Spezialausbildung vor allem in naturwissenschaftlichen und in technischen Bereichen. Es ist daher nicht verwunderlich, daß der Trend der Zeit auch in der Ausbildung der Schulen eine möglichst große und frühe Spezialisierung fordert. Unsere Gesellschaft gleicht damit einem steuerlosen Schiff, auf dem Spezialisten in Perfektion ihren Dienst versehen, ohne daß einer danach fragt, ob ein Steuermann an Bord ist und wohin die Fahrt geht. Kurzsichtige Reformer bedenken dabei aber nicht, daß auf Grund der Entwicklung Spezialwissen, das die jungen Menschen in ihren Schuljahren lernen, in ihren Berufsjahren wahrscheinlich längst überholt ist. Wer daher glaubt, auf diese Art die Schule zu reformieren, ist kein Reformator, sondern ein kurzsichtiger Manipulant.

Die Zukunft hängt davon ab, ob es gelingt, eine neue Stufe der kollektiven Vernunft und Moral zu erreichen und die Menschheit müßte mit jedem Entwicklungsschritt in den Naturwissenschaften zwei Schritte in geistiger und moralischer Entwicklung tun, wenn sie einer gefährlichen Krise entgehen will. Jedes Schulreformwerk, das darauf nicht Bedacht nimmt, ist stümperhaft und rückschrittlich.

Auch in den USA hat man längst erkannt, daß man neben den spezialisierten Technokraten eine geistige Führungsschicht mit großgefächerter Allgemeinbildung benötigt. Als Füh rer von großen Unternehmungen werden nicht mehr bekannte Spezialisten, sondern „Steuermänner” gesucht. Auch.fin deu Oststaafen,,, in denen man voreilig die Verbindung mit der Vergangenheit durch Überbordwerfen der alten Sprachen abgebrochen hatte, ist längst ein rückläufiger Trend zu beobachten, da man an den Universitäten erkannt hat, daß eine geistige Elite nur dann herangebildet werden kann, wenn sie die Verbindung mit den Wurzeln unserer Kultur nicht verliert. Es wurden daher neben den staatlichen Einheitsschulen die alten Gymnasien neu errichtet. Es ist unverständlich, warum die Schulreformer in Österreich diese Erfahrung sowohl der westlichen als auch der östlichen Welt der Öffentlichkeit vorenthalten und die Gesamtschule als allein seligmachend anpreisen. Der Vorwurf ist daher begründet, daß unsere Schulreformer in den sechziger Jahren steckengeblieben sind.

Der Arbeitskreis, der sich in Salzburg und nun auch in Wien gebildet hat, ruft daher alle auf überparteilicher Basis zur Mitarbeit auf, die eine Schule wollen, die Leistungen fordert und Leistungen fördert. Er will den sogenannten Reformen, die durch Zertrümmerung der Höheren Schule auf die Gleichmacherei der Einheitsschule hinarbeiten, eine Gegenreform entgegensetzen, die auf folgenden Grundsätzen aufbaut:

• Bildungskontinuität von Unter- und Oberstufe an einer Schule.

• Vertiefte Grundlagenbildung und Erziehung zum selbständigen Denken und Handeln.

• Zur Sicherung der humanistischen Bildung: Latein spätestens ab der 3. Klasse als Pflichtfach und Griechisch ab der 5. Klasse bei Mindestteilnahme von fünf Schülern.

• Hebung des historischen Bewußtseins als wesentlicher Beitrag zu einer echten staatsbürgerlichen Haltung.

• Erarbeitung eines Bildungsplanes für diesen Schultyp, in dem der naturwissenschaftliche und geisteswissenschaftliche Bereich zu einer sinnvollen Einheit geführt werden sollen.

• Wahrung des Elternrechts, das durch den Sortierungsmechanismus der Gesamtschule bedroht ist.

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