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Digital In Arbeit

IN DER COMPUTER-BRANCHE WERDEN DIE KARTEN NEU GEMISCHT

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EDV- das ist keine altehrwürdige Branche, sondern ein erst jüngst emporgekommener Industriezweig. Und doch hat er schon eine wechselvolle und dramatische Geschichte hinter sich. 1992 gilt als das nächste Schicksalsjahr des Computermarktes. Redaktionelle Gestaltung: Elfi Thiemer, Josef Graisy

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EDV- das ist keine altehrwürdige Branche, sondern ein erst jüngst emporgekommener Industriezweig. Und doch hat er schon eine wechselvolle und dramatische Geschichte hinter sich. 1992 gilt als das nächste Schicksalsjahr des Computermarktes. Redaktionelle Gestaltung: Elfi Thiemer, Josef Graisy

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Kaum ein Industriezweig hat sich so rasant entwickelt und verändert wie die EDV. In den frühen fünfziger Jahren werden erstmals die Karten am „Spieltisch" des Computerweltmarktes verteilt. Berühmte „Mitspieler" sind unter anderen Ken Olsen, Hewlett und Packard, Heinz Nixdorf, An Wang. Erfindungen in der dezentralen Computertechnik erweitern die Marktchancen für den Einsatz elektronischer Informationsverarbeitung enorm.

Anfang der siebziger Jahre spielen US-Firmen wie Fairchield und Texas Instruments einen Joker aus, der sich später als Trumpf entpuppt - die Erfindung des Mikroprozessors. Mitte der siebziger Jahre gesellen sich zwei weitere junge Mitspieler zu den „alten Hasen" und bringen eine neue Karte ins Spiel, den „Personal Computer" (PC). Die Amerikaner Steve Jobs und Stephen Wozniak.

Der europäischen EDV-Industrie geht es Mitte der siebziger Jahre blendend. Einige der alten Pioniere denken gar nicht daran, die Karte „Personalcomputer" aufzunehmen. Sie halten in ihrem Erfolgsrausch den PC eher für einen „Witz".

Angespornt von den Erfolgen Jobs und Wozniaks, siedeln sich im Umfeld amerikanischer Technologieschmieden wie Berkeley, Stanford und Santa Clara risikofreudige Jungunternehmer an. Sie besiedeln ein unbedeutendes, fünfzig Kilometer langes Tal zwischen San Francisco und San Jose, in dem das „Mekka der Computerwelt" entsteht, Silicon Valley. Im innovativen Klima der siebziger Jahre werden aus „Garagen-Bastlern" Computerimperien. Es tauchen neue Namen auf wie Apple, Commodore, Tandy, Intel, Motorola, Zilog, Rockwell und so weiter.

Anfang der achtziger Jahre erlebt der Computermarkt eine Neuorientierung. Die klassische EDV ist anwendungstechnisch stark ausgereizt. Die Industrie wendet sich einem neuen Gebiet zu, der Verknüpfung aller in einem Unternehmen benötigten Informationssysteme und Datenbanken. Die ersten Textverarbeitungssysteme kommen auf den Markt. Die Schreibmaschine soll ersetzt werden und die Computerhersteller träumen von einem wahren Umsatzboom. Weitreichende Planungen in der Forschung und Entwicklung von Bürosystemen werden angekündigt. So sollen bald alle Informationsarten wie Grafik, Bilder und Sprache automatisiert verarbeitet werden. Der Informationsaustausch wird unterhehmensweit elektronisch funktionieren. Ein neues Kürzel „BK" überflutet den Markt mit Hoffnungen, Wünschen, Träumen; das Jahrzehnt der Bürokommunikation scheint angebrochen zu sein.

Noch sind die Umsätze aus der EDV so gut, daß sie Experimente und Neuentwicklungen auf dem Sektor der Bürokommunikation mitfinanzieren. Im Vertrauen auf die Fähigkeiten ihrer Hauslieferanten starten eine Reihe von innovationsfreudigen Anwendern Pilotprojekte für Bürokommunikation. Viele, zu viele Projekte scheitern. Zum einen weil sie organisatorisch mangelhaft vorbereitet sind, zum anderen weil Hersteller halbfertige Erzeugnisse in die Bürowelt ihrer Kunden stellen, und nicht zuletzt deshalb, weil man zu oft die Rechnung ohne den Endbenutzer gemacht hat, der nicht hinreichend auf die einschneidenden Veränderungen in seiner Arbeitswelt vorbereitet ist. Der Umsatzboom aus der Textverarbeitung bleibt aus, und die Bürokommunikation war auch noch Mitte der achtziger Jahre kein Potential für Kurzfristgeschäfte in Millionenhöhe.

Parallel hielt die Mikroelektronik unaufhaltsam in Form des Personalcomputers Einzug in die Bürowelt. Der PC war ursprünglich als Home-computer gedacht, aber Ende der siebziger Jahre war der Privathaushaltsmarkt noch nicht reif für diese Technik. Firmen wie Apple, Commodore und Tandy haben als erste die Weichen für die PC-Technologie im Büromarkt gestellt. Der PC sollte die persönliche, individuelle Arbeit des Sachbearbeiters und Managers am Arbeitsplatz unterstützen, daher auch der Name Personal Computer.

Immer mehr begann der PC nun die Mittlere Daten Technik (MDT) zu verdrängen. IBM nahm die Trumpfkarte PC frühzeitig auf und wurde mit MS-DOS zum Trend-Setter im Welt-PC-Markt. Die Entscheidung für den PC stellte in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre bedeutende Weichen für die Marktentwicklung. Sie leitete einen Preisverfall im Hardware Markt ein, der so manchen etablierten Hersteller aus der Bahn warf. Darüber hinaus wurde mit der Verbreitung von MS-DOS der Ruf nach einer Standardisierung des Softwareprogramms laut. Die Entwicklung der Computertechnologie ging so rasant vonstatten, daß der Anwender gar nicht schnell genug investieren kann, um dem neuen Angebot nachzukommen.

Bis Ende der achtziger Jahre hatte sich in der Marktnische Bürokommunikation kaum ein Hersteller wesentlich etablieren können. Dafür lief die Standardisierungswelle auf Hochtouren. MS-DOS. UNIX, Netze, Softwarewerkzeuge sollten in Industrienormen vereinheitlicht werden. Um den Begriff „Bürokommunikation" wurde es stiller.

Obwohl sich in den achtziger Jahren die Investitionen in Bürocomputerjährlich stark erhöhten, hat sich die Produktivität im Büro nicht wesentlich verbessert. Investitionen wurden nun zurückhaltender getätigt.

Alle diejenigen Hersteller, die zu spät in die PC-Entwicklung und ihre Anwendungen auf offene Plattformen geschwenkt sind, holen nun die Ver Säumnisse der siebziger Jahre ein. Unattraktive Technologien und zögernde Investitionsbereitschaft der Anwender führten zu Massenentlassungen in der Computerindustrie bis in die Anfänge der neunziger Jahre. Auch Marktieader IBM leidet heute unter dieser Entwicklung und muß sein Imperium reorganisieren. Hat doch der PC mit MS-DOS den Clone-firmen mit dem Verkauf von Programmkopien mehr Erfolg gebracht als IBM selbst.

Der Mikroprozessor hat eine Entwicklung in Gang gesetzt, die die gesamte Branche revolutionierte. Der Computer wird immer leistungsfähiger, kleiner und preiswerter. Auf immer engerem Raum lassen sich immer mächtigere Informationen verarbeiten und speichern. Der Computer wird mobil durch den Lap Top, Note Book und Note Päd und somit zu einem unentbehrlichen Begleiter, der bei vielen Geschäftsreisenden und Außendienstmitarbeitern umfangreiche Aktenkoffer ersetzt und Arbeitsgänge automatisiert. Auch der Bürocomputer nimmt immer mehr die Leistungsfähigkeit eines Großrechners an, hat aber nur die Ausmaße eines größeren PC-Modelles.

Die Entwicklung scheint noch lange nicht abgeschlossen.Veränderte Bedingungen und der harte Wettbewerb zwingen die Computerindustrie zu neuen Organisationsformen und Verhaltensweisen:

□ Nicht jeder Hersteller wird eigene Hardwareentwicklungen betreiben;

□ neue effektive und effiziente Vertriebswege entstehen;

□ so mancher Hersteller verschwindet vom Markt.

Auf der einen Seite stehen Unternehmensübernahmen, wie zum Beispiel Siemens mit Nixdorf, Fujitsu mit ICL, DEC mit Kienzle und Philips-Data sowie ATT mit dem Erwerb von NCR. Auf der anderen Seite strategische Allianzen, um unterschiedliches aber notwendiges Know-how wie auch Märkte zu kombinieren. Hersteller, die bislang erbitterte Konkurrenten waren, arbeiten nun zusammen. Typisches Beispiel dafür ist IBM mit Apple, Novell, Wang, Bull... Darüber hinaus wird der hauseigene Direktvertrieb verkleinert und die Arbeit mit dem Computerfachhandel und Einzelhandel verstärkt. Heute ist es bereits möglich, Computer in Supermärkten zu kaufen.

Gewinner dieser Entwicklung sind:

1. Der Computerfachhandel. Eine junge Branche, die sich mit der PC-Entwicklung etablieren konnte.

2. Die Softwarehäuser, deren Auftragsbücher - durch die Verkleinerung der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen bei den Herstellern - dicker werden.

3. Die Organisationsbefater, deren Unterstützung in der immer leistungsfähiger werdenden Informationsverarbeitungslandschaft bitter benötigt wird. Jeder Anwender soll angesichts wachsender technischer Möglichkeiten an ein vernünftiges Maß an Büroautomation herangeführt werden.

4. Schließlich gehören wir Endverbraucher zu den Gewinnern. Durch die Mikroelektronik ist nun der Zugang zu hochwertigen technischen Gütern auch für die Privattasche erschwinglich, sei es in der Unterhaltungselektronik, im KFZ-Bereich, bei Haushaltsgeräten bis zum PC.

Der Autor ist Computer-Journalist in Wien.

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