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In der Kunst Maßstäbe setzen

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Die Wiener Secession feiert ihren 75. Geburtstag. In London hat sie im vergangenen Jahr dieses Fest mit einer monumentalen Ausstellung, einem Resümee aus ruhmreicher Tradition und Gegenwart, gebührend gefeiert, sogar in Bregenz hatte man sich entschlossen, diese Schau zu zeigen. Nur in Wien war für dieses Fest kein Geld vorhanden. Eine Schau der Bilder von Franz Ringel und von Zeichnungen und Skizzen Martha Jungwirths wird gerade gezeigt. Und das ist ein Glück, denn sonst wäre die Secession just am 75. Jahrestag ihrer Gründung, also am 3. April, gesperrt gewesen. 120 Mitglieder jubilieren mehr oder minder im stillen Kämmerlein, denn sie haben sich offenbar schon daran gewöhnt, daß man in Wien für die Kunst im Grunde doch kein Geld hat.

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Die Wiener Secession feiert ihren 75. Geburtstag. In London hat sie im vergangenen Jahr dieses Fest mit einer monumentalen Ausstellung, einem Resümee aus ruhmreicher Tradition und Gegenwart, gebührend gefeiert, sogar in Bregenz hatte man sich entschlossen, diese Schau zu zeigen. Nur in Wien war für dieses Fest kein Geld vorhanden. Eine Schau der Bilder von Franz Ringel und von Zeichnungen und Skizzen Martha Jungwirths wird gerade gezeigt. Und das ist ein Glück, denn sonst wäre die Secession just am 75. Jahrestag ihrer Gründung, also am 3. April, gesperrt gewesen. 120 Mitglieder jubilieren mehr oder minder im stillen Kämmerlein, denn sie haben sich offenbar schon daran gewöhnt, daß man in Wien für die Kunst im Grunde doch kein Geld hat.

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Wenn London, Paris, Berlin, ja, selbst die deutschen Mittelstädte Monsterausstellungen veranstalten und dort die durch Kunstwerbung gründlich informierten Leute oft Schlange stehen, um Kunst sehen zu können, ruht Wien auf seinen Lorbeeren. Im Jubeljahr der Secession zeigt das Museum für angewandte Kunst eine kleine, aber exquisite „Wiener Werkstätten“-Schau, kann man bestenfalls in Wiener Kleingalerien da und dort einen Kolo Moser oder im Dorotheum eine Klimt-Zeichnung sehen. Aber damit hat sich's...

„Der Zeit ihre Kunst — Der Kunst ihre Freiheit“, steht seit 1898 über dem Eingang in die Wiener Secession (1938 bis 1945 war diese Inschrift übrigens entfernt). Ihr Sinn wird deutlich, wenn Ludwig Hevesi, der Chronist der Jahrhundertwende, in journalistischem Überschwang Waldmüller den „Ur-Secessionisten von Wien“ und auch Schwind einen „Secessionisten“ nannte. Es ging um das Ideal des Fortschritts und des „Unmittelbaren'“ in der Kunst, und da hatte ein buntes Vielerlei von ausländischen Künstlern und sehr Disparates Platz: Naturalisten und Symbolisten, Maximilian Klinger und Uhde, Anders Zorn und Toorop, Meunier, Rodin, Khnopff, Carriere, Whistler Laermans, Segantini, Zuegel, Puvis de Chavannes.

Neben der jungen Kunst des Spätimpressionismus und den ersten Vertretern des „Art nouveau“ zeigte man auch den „Klassiker“ des Impressionismus, Manet, und die japanischen Holzschnittmeister. Es kommen auch die Namen der eigentlichen Pioniere der „modernen“ Malerei vor: Van Gogh, Münch, Cezanne, Seurat, sie treten aber noch nicht als das auf, was sie wirklich bedeuteten, wenigtens nicht in den Ausstellungen der ersten Jahre um 1900. Deutlicher und bewußter sind die neuen Tendenzen einer vom durchschnittlichen Naturalismus sich abwendenden Kunst innerhalb der österreichischen Malerei als das hervorgehoben, was der Verteidigung bedurfte, und vom Anfang an ist die führende Rolle Gustav Klimts erkannt.

Er war vom ersten Tag an die führende Persönlichkeit der Wiener Secession. Am 3. April 1897 schickte er, damals noch Mitglied der renommierten Genossenschaft bildender Künstler im Künstlerhaus, an den leitenden Ausschuß der Genossenschaft und an die Presse die Mitteilung, daß sich am selben Tag eine „Vereinigung bildender Künstler Österreichs“ gebildet hätte. Am 24. Mai war die neue „Secession“-Gruppe um Klimt endgültig formiert. Im Jahre 1898 startete man bereits in Joseph Maria Olbrichs neuem Haus unter der goldenen Blattwerkkuppel, dem „Kraut-happl“. Von Anfang an stand die Idee der Ausstellung als Gesamtkunstwerk im Mittelpunkt, die Einheitlichkeit der Präsentation, die dann später in der Wiener Werkstätte eine noch entscheidendere, geistig geschlossenere Durchformung erhalten sollte.

Die erste Ausstellung der Secessionisten, im März 1898 noch auf dem Gartenbauareal eröffnet, da das neue Stammhaus nicht fertiggestellt war, legte bereits die Grundsätze klar: so daß die Vereinigung „zum erstenmal den Versuch mache, dem Publikum eine Elite-Ausstellung spezifisch moderner Kunstwerke zu bieten“. Denn es sei unzumutbar, daß der Besucher in Wiener Ausstellungen Säle für Säle durchwandern müsse, bis er, durch den Wust von Mittelmäßigem erdrückt, die Frische für den Genuß des wenigen Guten längst eingebüßt habe. Man habe beabsichtigt, dem Publikum ein Bild der modernen Kunstbestrebungen im Ausland zu vermitteln, „damit es einen neuen und höheren Maßstab für die Bewertung der heimischen Hervorbringungen erhalte“. Denn: „Wir sind Partei und wollen Partei bleiben, so lange, bis die stagnierenden Kunstverhältnisse Wiens neu belebt sind und österreichische Künstler und österreichisches Publikum ein Bild der modernen Kunstbewegung geschaffen haben.“

Theoretisch hat sich daran bis heute nichts geändert. So konstatierte Präsident Georg Eisler kürzlich in einem Interview: „Ich glaube, daß wir nach einer Verjüngung in den letzten Jahren wieder die wesentlichen Kräfte des heutigen österreichischen Kunstgeschehens bei uns vereinen... Wir halten an den Grundsätzen fest, internationale Richtungen und Tendenzen zu präsentieren und österreichische Kunst im Ausland bekanntzumachen. Die Idee der Ausstellung als Gesamtkunstwerk, die Vorliebe der Secession für teure Materialien, ist bei den heutigen Kosten freilich längst nicht mehr durchzuführen.“

So präsentiert sich die Secession und ihre in Wien führende Künstlergruppe: Das Haus selbst freilich, trotz der Generalüberholung von 1963/64, außen zwar in originalem Zustand, innen aber in billigster stilwidrigster Neugestaltung, die genau den Prinzipien folgt, denen die Wiener Secessionisten den Kampf angesagt hatten. Die innen eingezogene Rasterdecke, die neuen, schlecht installierten Beleuchtungsanlagen, die stillose Gestaltung der Räume ist im Grunde nur der Beweis, wie wenig der Eigentümer des Secessionsgebäudes, die Gemeinde Wien, sich aus diesem originellsten, wichtigsten Bauwerk des Wiener Jugendstils macht, wie wenig Verständnis man auch heute noch diesem Stil in Wien entgegenbringt, während man anderswo zur Rettung und originalgetreuen Instandsetzung solcher Bauwerke „generalmobilmacht“.

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