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In der Taufe gründet unsere Gleichheit

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Das Verhältnis zwischen Klerikern und Laien kann wohl zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte der katholischen Kirche als völlig spannungsfrei bezeichnet werden. In noch gar nicht so ferner Vergangenheit war man gewohnt, die Kirche als „ungleiche Gesellschaft“ zu sehen, in der die Kleriker die lehrende und befehlende, die Laien aber die lernende und gehorchende Kirche darstellen.

Versucht man, die Frage nach dem derzeitigen Stand des Ver-

hältnisses zu beantworten, so erweist sich ein Blick in das erst vor drei Jahren in Kraft getretene kirchliche Gesetzbuch, den Codex Iuris Canonici (CIC/1983), zwar als primäre, aber nicht ausschließliche Quelle.

Zum einen ist dieser CIC/1983 weitgehend vom geistigen Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils geprägt, und müssen zur Ermittlung des Inhalts einzelner Normen immer auch die Konzilsaussagen herangezogen werden; zum anderen wird das konkrete Leben einer Gemeinschaft — auch der Kirche — niemals ausschließlich von den dieser Gemeinschaft gegebenen Gesetzen bestimmt, sondern Leben entwickelt sich ständig neu, auch neben einer bestehenden Rechtsordnung.

Was das Verhältnis Laien — Kleriker betrifft, so muß im Zuge

der Entwicklung nach dem Konzil, insbesondere a*uch nach dem Inkrafttreten des CIC/1983, von einem bedeutsamen Wandel im kirchlichen Selbstverständnis gesprochen werden. Dieses geht nicht mehr wie früher von den Gegensätzlichkeiten zwischen Laien und Klerikern aus, sondern spricht von einer in der Taufe gründenden fundamentalen Gleichheit aller Christgläubigen. Die Kirche als das pilgernde Gottesvolk ist primär eine Gemeinschaft von unter sich Gleichen, denen auch gemeinsam der missionarische Dienst der Kirche aufgetragen ist, die göttliche Heilsbotschaft zu allen Menschen gelangen zu lassen.

An praktischen Konsequenzen ergibt sich unter anderem, daß den Laien nunmehr eine Fülle von Aufgaben zugewiesen wird, die bisher dem Kleriker reserviert waren, wofür aber die Weihe nicht erforderlich ist. Dies beginnt bei den Ämtern in der bischöflichen Verwaltung und Rechtssprechung (Kanzler, Kirchenanwalt, Ehebandverteidiger, Notar, Richter), setzt sich fort bei weitreichender Ausübung kirchlicher Lehrtätigkeit (sogar als Professor an theologischen Seminaren und Fakultäten) und gipfelt in der gegenüber früher weitaus stärkeren Einbindung des Laien in das liturgische Geschehen.

Laien können mit kirchlicher Wortverkündigung bis zum Dienst des Predigers betraut werden, sie können Tauf- und Kom-

munionspender sein und können unter gewissen Voraussetzungen mit der Eheassistenz beauftragt werden, das heißt, der Laie kann eine kirchliche Trauung vornehmen. Hier öffnet sich insbesondere für den amtlich beauftragten Pastoralassistenten ein weites Betätigungsfeld.

Besteht nun völlige Gleichberechtigung der Geschlechter? Diese Frage gipfelt in der Zulassung der Frau zum Weihesakrament (Diakonats-, Priester-, Bischofsweihe). Dem gegenwärtigen Kirchenrecht zufolge können nur Männer Weihen empfangen, Frauen ist der Zutritt zu dieser Form des geistlichen Amtes verwehrt. Ob es sich dabei um eine der Kirche aufgrund göttlicher Anordnung vorgegebene, also nicht änderbare Norm oder lediglich um eine historisch gewachsene, jederzeit aufhebbare Festlegung handelt, das ist im Bereich der katholischen Theologie umstritten; das Kirchenrecht schließt Frauen von den Weihen aus.

Interessant ist aber in diesem Zusammenhang, daß der kirchliche Gesetzgeber in einem sicherlich nicht dem „göttlichen Recht“ angehörenden Bereich zögert, die Gleichberechtigung der Geschlechter zu verwirklichen. Es handelt sich um die „Dienstämter“ des Lektors und des Akoly-then, die sich als Nachfolger der früheren vier „niederen Weihen“ darstellen, aber keine Weihen sind. Diese Dienstämter stellen

eine dauernde amtliche Beauftragung zu bestimmten liturgischen Diensten dar, und sie werden nicht nur den Weihewerbern vor dem Diakonat erteilt, sondern können auch Kandidaten übertragen werden, die keine Weihen anstreben. Allerdings nur Männern, nicht auch Frauen!

Dies führt zu einer etwas ambivalenten Situation: Frauen können zwar die Dienstämter nicht erhalten, sie können aber in Form von Einzelbeauftragungen zu allen jenen liturgischen Diensten ermächtigt werden, die mit dem Dienstamt verbunden sind, ja sogar noch darüber hinausreichen (zum Beispiel Kommunionspendung, Predigt). Das Zögern des kirchlichen Gesetzgebers, auch hier eine durchaus mögliche Gleichberechtigung der Geschlechter zu verwirklichen, mag damit zusammenhängen, daß die Dienstämter vielleicht noch im Bewußtsein einiger unreflektiert als „Weihen“ angesehen werden und die Übertragung dieser Dienstämter an Frauen mancherorts vielleicht Verwirrung stiften könnte.

Kleriker wie Laien sind. Kirche. Dieser ist es aufgetragen, innerhalb des vom göttlichen Stifter vorgegebenen Rahmens eine Ordnung zu verwirklichen, in der alle, je nach ihren eigenen Gaben, an der Verwirklichung des die Kirche als ganze bindenden Heilsauftrags mitwirken können.

Der Autor ist Ordinarius für Kirchenrecht an der Universität Wien.

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